Wenden wir uns dem monochromen Filmmaterial zu. Im Internet habe ich einen gebrauchten Filmlader inklusive dreier originalversiegelter Dosen Kodak T-Max 400 um ganz wenig Geld gefunden und gekauft. Die Filme stammen vermutlich aus einer der ersten Chargen des Kodak TMax 400-II aus dem Jahr 2007 und haben das Ablaufdatum mit September 2010 angegeben. Die Meterware ist also nicht mehr ganz frisch, aber bei halbwegs normaler Lagerung gibt es keinen Grund sie zu entsorgen. Ich habe vor, sie im Lauf der Jahre stückchenweise aufzubrauchen. Um ihre Eigenschaften auszuloten habe ich Ende August 2022 mehrere Filmstücke belichtet. Wie könnte es anders sein, in meinen aktuellen Lieblingskameras Nikon FA und Nikon FM2 mit verschiedenen Ai-Nikkor-Objektiven. Belichtet wurden die Filme mit ISO 400, wobei es meiner Gewohnheit entspricht je nach Motiv und Helligkeitsverteilung bis zu eine halbe Blende reichlicher zu belichten. Entwickelt habe ich die Testfilme im Wehner-Entwickler mit meinen üblichen Standardwerten in Rotationsentwicklung. Um es kurz zu machen: Alle drei Dosen Meterware sind völlig in Ordnung. Die Filmempfindlichkeit hat sich nicht sichtbar geändert, das Kontrastverhalten ist so wie es vom Kodak TMax 400 kenne und die maximal erreichbaren Dichten unterscheiden sich auch nicht von frischem Material. Mit dem Wehner-Entwickler erreicht man mit dem alten Material genauso feine Negative wie mit frischen Filmen. Ein Anstieg des Filmkorns oder andere Veränderungen der Emulsion sind mir nicht aufgefallen. Ein Stück entwickelter gänzlich unbelichteter Film aus der gleichen Charge zeigt die übliche Transparenz der Trägerschicht mit sauber ausentwickelten Bildnummern und Filmkennungen am Perforationsrand.
Es geht leider aber auch anders. troeszter.net hat zum
Glück aufmerksame Leser die mich sogar mit Testmaterial unterstützen um mir zu
neuen Erkenntnissen zu verhelfen. So geschehen mit zwei Rollen Ilford HP5Plus,
welche mir freundlicherweise Herr Manfred zukommen hat
lassen. Seinen Angaben nach wurden die Filme im Jahr 1990 mit einer Nikon F-801s
gekauft und seit damals in den Tiefen der Fototasche aufbewahrt. Als Notreserve
oder für eine Gelegenheit, wo man mit Schwarzweiß-Film fotografieren wollte.
Fünfunddreißig Jahre Raumtemperatur oder mehr haben die Filme aushalten müssen
bis der Vater von Herrn Manfred die Kamera abgegeben hat. Jetzt hat sich die
Frage gestellt, ob man die beiden Rollen HP5Plus noch verwenden kann. Ich habe
Manfred zur kaum gebrauchten Nikon F-801s gratuliert und von einer Verwendung
des Filmmaterials abgeraten. Völlig richtig, wie sich herausgestellt hat. Die
beiden Ilford HP5Plus waren durch die Jahrzehnte der "schlechtestmöglichen"
Aufbewahrung für reguläre Fotografie unbrauchbar. Die Filmempfindlichkeit hat
überraschend nur etwa zwei Blenden abgenommen, während der extrem angestiegene
Grundschleier die Transparenz des entwickelten Films sehr stark reduziert hat.
In der Folge ist auch das Kontrastverhalten völlig gekippt. Aus den milchig
trüben Negativen bekommt man nur Grautöne im mittleren Bereich, aus denen sich
weder ordentliche Scans und noch weniger brauchbare Papierabzüge anfertigen
lassen. Die Kombination aus Wärme plus Langzeitlagerung kann also auch
Schwarzweiß-Filme bis zur Unbrauchbarkeit beeinträchtigen.
Was man an den hier vorgestellten drei Beispielen schon erkennen kann ist, dass
es keine allgemein gültige Regel in Bezug auf das Verhalten von überaltertem
Filmmaterial gibt. Vor allem wenn man über gar keine Information betreffend der
Lagerung während der letzten Jahre oder Jahrzehnte hat, sollte man jedem
Filmmaterial vorerst einmal skeptisch gegenüberstehen und von verminderter
Qualität ausgehen.
Bis auf das letzte Foto auf dieser Seite
wurden alle Schwarzweiß-Bilder mit
Kodak T-Max 400 Ablaufdatum September 2010 aufgenommen. Gescannt wurde mit einem
Fujifilm SP-2000. Interessant ist, dass bei Scans mit moderatem Kontrast das Filmkorn weniger stark zur Geltung kommt als bei kontrastreichen Motiven.
Schwarzweiss-Film altert oft weniger sichtbar als Farbmaterial. Das sieht man bei kontrastreichen Motiven, deren Dynamik noch immer ausgezeichnet ist. Entwickelt wurde der überlagerte T-Max 400 mit dem Wehner-Entwickler in meinem standardisierten Prozess. Bei diesen beiden Scans habe ich in den Schatten ein wenig nachgeholfen. Mit dem Wehner-Entwickler gibt es auch beim überalterten Filmmaterial schöne Grauabstufungen und ein feines Korn. Nikon FA, Micro-Nikkor 55mm/3.5
Bei Schwarzweiß-Filmen sieht die Sache etwas anders aus. Lagerung bei mäßig kühlen Temperaturen, wie zum Beispiel in einem Keller, hat meistens keine gravierenden Folgen. Wenn man die von mir getesteten etwa fünfzehn Jahre alte Kodak T-Max 400 Meterware als Beispiel nimmt, waren die Ergebnisse einwandfrei. Fünfunddreißig Jahre Überlagerung bei Raumtemperatur oder höher verträgt auch der gutmütigste Schwarzweiß-Film nicht. Mit so einem Material kann man nicht mehr normal fotografieren. Das haben zwei Stück Ilford HP5Plus ganz deutlich gezeigt.
Abgelaufenes Filmmaterial ist individuell zu bewerten. Für eine einzige Rolle ist das weder möglich noch sinnvoll. Die landet dann als Testfilm in der hauseigenen Grabbelkiste. Ab etwa zehn Rollen lohnt sich ein Test zur Qualitätsprüfung, noch lohnender kann sich abgelaufene Meterware herausstellen, vor allem wenn man das überlagerte Filmmaterial zu einem entsprechend niedrigen Preis bekommen kann.
Bild oben: Bei der Detailwiedergabe kann ich keinen Unterschied zwischen einem frischen und dem abgelaufenen T-Max 400 feststellen. Nikon FA mit Nikkor 28mm/3.5.
Das Bild unten wurde mit einem 35 Jahre lang völlig unsachgemäß gelagerten
Ilford HP5Plus gemacht. Wie man sieht ist die Qualität schlecht, was nicht
dem Film an sich, sondern seiner unsachgemäßen Aufbewahrung über einen sehr
langen Zeitraum geschuldet ist. Trotz Belichtung mit ISO 100 sind die
maximalen Dichten zu gering. Der Kontrast ist viel zu flau und auch nach
einem Scan nicht gut steuerbar. Schon bei der geringsten Korrektur laufen
die Schatten zu und werden zu schwarzen Flecken oder es brennen die Lichter
aus, wie das hier gut zu sehen ist.