Abgelaufenes Filmmaterial: try it before you shoot it!

Überlagertes Filmmaterial ist immer wieder ein Thema. Während Filme aus gekühlter Lagerung weit über das auf der Schachtel aufgedruckte Ablaufdatum hinaus verbraucht werden können, gibt es für ungekühlt überlagertes Filmmaterial ein paar Dinge, die beachtet werden sollten. Dann muss es nicht zwangsweise in der Entsorgung landen. Zu diesem Beitrag gibt es eine Menge Bildmaterial. Die Schwarzweiss-Bilder befinden sich weiter unten, während Farbaufnahmen auf einer eigenen Seite zusammengestellt sind:


Im Lauf des Jahres 2022 waren vor allem Kleinbild-Farbnegativfilme selten bis gar nicht zu bekommen. Bei Rollfilmen war die Verfügbarkeit besser, während Schwarzweiß-Filmmaterial im Großen und Ganzen wie üblich verfügbar geblieben ist. Ich verwende fast ausschließlich Schwarzweiß-Film, ein Karton mit längst abgelaufenem Fujifilm Superia XTRA 400 sowie drei Dosen Kodak TMax 400 Meterware mit Ablaufdatum 2010 haben mich zu ein paar Tests angeregt, bei denen es um die Verwendbarkeit von überlagertem Filmmaterial geht.

Den Fujifilm Superia XTRA 400 gibt es seit zwanzig Jahren, vielleicht auch das eine oder andere Jahr länger und neben dem Superia 200 habe ich dieses Material Anfang der 2000er-Jahre praktisch im Dauereinsatz gehabt. Bis Digitalkameras alle Farbnegativfilme ein Jahrzehnt lang fast in die Bedeutungslosigkeit geschickt haben. Fujifilm war seinerzeit ganz stolz auf die vierte Farbschicht, mit der die Superia-Filme besonders farbtreu und scharf gemacht worden sein sollen. Das ist schon eine Weile her und heute ist der noch ab und zu verfügbare Fujicolor PRO 400H wahrscheinlich der letzte 4-Schichten-Farbfilm von Fujifilm. Zumindest der Karton des im Jahr 2008 abgelaufenen Kleinbild-XTRAs vermerkt noch einen „4th Color Layer", auf den aktuellen Filmschachteln fehlt der Hinweis allerdings. Da dürfte im Lauf der Jahre eine Änderung an der Emulsion erfolgt sein. Zum Karton voller abgelaufener Filme bin ich durch Zufall gekommen. Er wurde vor eineinhalb Jahrzehnten in einem Lager in die hinterste Ecke geräumt. Wenig später wurden von einem ignoranten Lagerarbeiter achtlos Buchhaltungskartons darüber geschlichtet und erst bei der Entsorgung alter Archivbestände sind die Filme wieder aufgetaucht. Im nicht klimatisierten Lager ist die Aufbewahrung von Farbfilm definitiv nicht optimal, aber sollte ich die Filme entsorgen nur weil sie abgelaufen sind? Bei einem Preis von mindestens zehn Euro pro Rolle Kleinbildfilm (im Herbst 2022) und der Verknappung von Farbnegativmaterial ist man geradezu verpflichtet jedes noch so alte Filmstückchen zu belichten.

Überlagerte Farbnegativfilme verlieren langsam an Filmempfindlichkeit weil einzelne Farbschichten unterschiedlich stark altern. Dann bringen sie die Farbbalance aus dem Gleichgewicht und die Dichten der Negative erreichen nicht mehr ihre maximalen Werte. Schwarz wird dann nicht mehr Schwarz, sondern Grau und dazu kommt dann noch ein mehr oder minder ausgeprägter Farbstich. Meist in Richtung Rot, Magenta oder Blau. Der Alterungsprozeß steigert sich mit der Erhöhung der Lagertemperatur und der Dauer der Überlagerung. Eine hohe Temperatur über einen langen Zeitraum ist das Schlechteste, was man einem Farbfilm antun kann. Gegen die Reduktion der Filmempfindlichkeit kann man etwas tun. Als Faustregel gilt, daß man pro Jahrzehnt an Überlagerung eine Blende Empfindlichkeit abziehen soll. Nach zehn Jahren wird aus dem ISO-400-Film ein 200er-Film, nach weiteren zehn Jahren ein 100-ISO-Film und ist ein weiteres Jahrzehnt vergangen, belichtet man das Material mit ISO 50. Die Korrektur einer Farbdrift ist in dieser Regel allerdings nicht enthalten. Bei der Herstellung des Farbgleichgewichts ist man auf das Probieren angewiesen. Im Zeitalter der hybriden Verarbeitung sollte man über einen speziellen Filmscanner, wie zum Beispiel einen Nikon Coolscan verfügen, mit dem man Farbstiche bei einem Scan wegfiltern kann. Das schafft man einmal leichter, ein anderes Mal schlechter und ein weiteres Mal vielleicht auch gar nicht, denn manchen Farbstich kann man nicht mehr auskorrigieren. Die Farbbalance ist die größte Variable bei diesem Spiel und macht das Scannen mühsam und zeitintensiv.

Einen der Testfilme habe ich bei einer kurzen Runde um die Margarethenkirche in Berndorf (Niederösterreich) aufgenommen. Belichtet wurde mit ISO 200 anstelle von ISO 400 und das Objektiv war das vorhin beschriebene Nikkor 28mm/3.5 Ai an einer Nikon FM2. Als Scanner wurde dieses Mal ein großer Noritsu QSS gewählt. Der ist mit der automatischen Filmbühne schneller als jeder Nikon Coolscan, die Software ist bei der Beurteilung der Negativeigenschaften recht clever und entlastet den Operator. Technisch ist so ein Gerät über jeden Zweifel erhaben. Gleiches gilt übrigens auch für die SP-2000 und SP-3000-Scanner von Fujifilm, deren Qualität dem Noritsu ebenbürtig ist. Wer die Scans seinem Fotofinisher überlassen will, fragt nach Scans mit einem Fujifilm SP- und Noritsu QSS-Scanner.

Zurück zum XTRA 400. Betrachtet man die Negative so erscheinen sie auf den ersten Blick schlimm und es springen sofort ein paar Veränderungen ins Auge. Die Transparenz erscheint geringer. Es ist schwer zu beschreiben, aber der entwickelte Film erscheint weniger durchsichtig oder ganz geringfügig trüb. Dazu kommt eine Abweichung bei der Maskierung. Die sollte eine typische orange-braune Färbung haben, der überlagerte Film ist nach der Entwicklung aber eher braun fast ohne orangen Einschlag. Abhängig von den Motiven erscheint die Maskierung manchmal sogar leicht braun-grün. Die Negative wirken weniger kontrastreich als bei einem frischen Film. Die Überbelichtung um eine Blende ist unbedingt notwendig, weil sonst alle Negative zu dünn wären und ich vermute, dass die Veränderungen in der Filmmaskierung die reichlichere Belichtung erforderlich macht. Mit dem Noritsu QSS sind solche Negative gut scanfähig. Ob die Ergebnisse mit einem einwandfreien Film noch besser ausfallen, müsste man in einem Direktvergleich von altem und neuem Film herausfinden. Das im konkreten Fall in  Richtung Magenta verschobene Farbspektrum kann weitgehend kompensiert werden und die abweichenden Dichten sind für einen Noritsu QSS auch beherrschbar. Der Scanner hat gute Arbeit geleistet und die satt gelbe Wandfarbe als etwas helleres Gelb aber ohne Magenta-Stich umgesetzt. Das Blau im Himmel ist perfekt auskorrigiert und so wie ich es mir vorstelle. Aus den Schatten hat der Scanner auch noch ein paar Details - mehr als ich mir erwartet habe - gezaubert. Bilder, welche ganz im Schatten aufgenommen wurden, schafft der Noritsu QSS ohne Blaustich mit einem ziemlich neutralen Weiß. Nur die Grüntöne könnten für mich etwas knackiger sein, aber da geht es um meinen persönlichen Geschmack. Motive mit hohem aber auch mit geringem Kontrast sind bei diesem Testfilm überraschend schön geworden. Das Bild in der Kirchenkuppel wäre mit einem frischen Film auch nur wenig anders ausgefallen und bei diesem Motiv merkt man kaum das überlagerte Material.

Wenden wir uns dem monochromen Filmmaterial zu. Im Internet habe ich einen gebrauchten Filmlader inklusive dreier originalversiegelter Dosen Kodak T-Max 400 um ganz wenig Geld gefunden und gekauft. Die Filme stammen vermutlich aus einer der ersten Chargen des Kodak TMax 400-II aus dem Jahr 2007 und haben das Ablaufdatum mit September 2010 angegeben. Die Meterware ist also nicht mehr ganz frisch, aber bei halbwegs normaler Lagerung gibt es keinen Grund sie zu entsorgen. Ich habe vor, sie im Lauf der Jahre stückchenweise aufzubrauchen. Um ihre Eigenschaften auszuloten habe ich Ende August 2022 mehrere Filmstücke belichtet. Wie könnte es anders sein, in meinen aktuellen Lieblingskameras Nikon FA und Nikon FM2 mit verschiedenen Ai-Nikkor-Objektiven. Belichtet wurden die Filme mit ISO 400, wobei es meiner Gewohnheit entspricht je nach Motiv und Helligkeitsverteilung bis zu eine halbe Blende reichlicher zu belichten. Entwickelt habe ich die Testfilme im Wehner-Entwickler mit meinen üblichen Standardwerten in Rotationsentwicklung. Um es kurz zu machen: Alle drei Dosen Meterware sind völlig in Ordnung. Die Filmempfindlichkeit hat sich nicht sichtbar geändert, das Kontrastverhalten ist so wie es vom Kodak TMax 400 kenne und die maximal erreichbaren Dichten unterscheiden sich auch nicht von frischem Material. Mit dem Wehner-Entwickler erreicht man mit dem alten Material genauso feine Negative wie mit frischen Filmen. Ein Anstieg des Filmkorns oder andere Veränderungen der Emulsion sind mir nicht aufgefallen. Ein Stück entwickelter gänzlich unbelichteter Film aus der gleichen Charge zeigt die übliche Transparenz der Trägerschicht mit sauber ausentwickelten Bildnummern und Filmkennungen am Perforationsrand.

Es geht leider aber auch anders. troeszter.net hat zum Glück aufmerksame Leser die mich sogar mit Testmaterial unterstützen um mir zu neuen Erkenntnissen zu verhelfen. So geschehen mit zwei Rollen Ilford HP5Plus, welche mir freundlicherweise Herr Manfred zukommen hat lassen. Seinen Angaben nach wurden die Filme im Jahr 1990 mit einer Nikon F-801s gekauft und seit damals in den Tiefen der Fototasche aufbewahrt. Als Notreserve oder für eine Gelegenheit, wo man mit Schwarzweiß-Film fotografieren wollte. Fünfunddreißig Jahre Raumtemperatur oder mehr haben die Filme aushalten müssen bis der Vater von Herrn Manfred die Kamera abgegeben hat. Jetzt hat sich die Frage gestellt, ob man die beiden Rollen HP5Plus noch verwenden kann. Ich habe Manfred zur kaum gebrauchten Nikon F-801s gratuliert und von einer Verwendung des Filmmaterials abgeraten. Völlig richtig, wie sich herausgestellt hat. Die beiden Ilford HP5Plus waren durch die Jahrzehnte der "schlechtestmöglichen" Aufbewahrung für reguläre Fotografie unbrauchbar. Die Filmempfindlichkeit hat überraschend nur etwa zwei Blenden abgenommen, während der extrem angestiegene Grundschleier die Transparenz des entwickelten Films sehr stark reduziert hat. In der Folge ist auch das Kontrastverhalten völlig gekippt. Aus den milchig trüben Negativen bekommt man nur Grautöne im mittleren Bereich, aus denen sich weder ordentliche Scans und noch weniger brauchbare Papierabzüge anfertigen lassen. Die Kombination aus Wärme plus Langzeitlagerung kann also auch Schwarzweiß-Filme bis zur Unbrauchbarkeit beeinträchtigen.

Was man an den hier vorgestellten drei Beispielen schon erkennen kann ist, dass es keine allgemein gültige Regel in Bezug auf das Verhalten von überaltertem Filmmaterial gibt. Vor allem wenn man über gar keine Information betreffend der Lagerung während der letzten Jahre oder Jahrzehnte hat, sollte man jedem Filmmaterial vorerst einmal skeptisch gegenüberstehen und von verminderter Qualität ausgehen.  

Bis auf das letzte Foto auf dieser Seite wurden alle Schwarzweiß-Bilder mit Kodak T-Max 400 Ablaufdatum September 2010 aufgenommen. Gescannt wurde mit einem Fujifilm SP-2000. Interessant ist, dass bei Scans mit moderatem Kontrast das Filmkorn weniger stark zur Geltung kommt als bei kontrastreichen Motiven.

Schwarzweiss-Film altert oft weniger sichtbar als Farbmaterial. Das sieht man bei kontrastreichen Motiven, deren Dynamik noch immer ausgezeichnet ist. Entwickelt wurde der überlagerte T-Max 400 mit dem Wehner-Entwickler in meinem standardisierten Prozess. Bei diesen beiden Scans habe ich in den Schatten ein wenig nachgeholfen. Mit dem Wehner-Entwickler gibt es auch beim überalterten Filmmaterial schöne Grauabstufungen und ein feines Korn. Nikon FA, Micro-Nikkor 55mm/3.5

Fazit: Bei den überlagerten Superia XTRA 400 Filmen ergibt sich hinsichtlich der verschiedenen Qualitätsparameter ein durchaus erfreuliches Bild, obwohl der erste Blick auf die Negative sofort erkennen lässt, dass es sich um altes Material handelt. Meine erste Reaktion war Zweifel, ob denn davon überhaupt brauchbare Scans anzufertigen wären. Mit einem leistungsfähigen Filmscanner war die Überraschung groß, dass die Scans ohne Verrenkungen und Tricks recht brauchbar geworden sind. Mit meinen Nikon Coolscans habe ich zwar noch keine Proben gemacht, weil ich glaube, dass die Fujifilm SP- oder Noritsu QSS-Scanner einfach die beste und vor allem schnellste Umsetzung in hochwertige Bilddateien garantieren. Genau deshalb würde ich diese Arbeit an einen guten Fotofinisher auslagern.

Bei Schwarzweiß-Filmen sieht die Sache etwas anders aus. Lagerung bei mäßig kühlen Temperaturen, wie zum Beispiel in einem Keller, hat meistens keine gravierenden Folgen. Wenn man die von mir getesteten etwa fünfzehn Jahre alte Kodak T-Max 400 Meterware als Beispiel nimmt, waren die Ergebnisse einwandfrei. Fünfunddreißig Jahre Überlagerung bei Raumtemperatur oder höher verträgt auch der gutmütigste Schwarzweiß-Film nicht. Mit so einem Material kann man nicht mehr normal fotografieren. Das haben zwei Stück Ilford HP5Plus ganz deutlich gezeigt.

Abgelaufenes Filmmaterial ist individuell zu bewerten. Für eine einzige Rolle ist das weder möglich noch sinnvoll. Die landet dann als Testfilm in der hauseigenen Grabbelkiste. Ab etwa zehn Rollen lohnt sich ein Test zur Qualitätsprüfung, noch lohnender kann sich abgelaufene Meterware herausstellen, vor allem wenn man das überlagerte Filmmaterial zu einem entsprechend niedrigen Preis bekommen kann.

Oktober 2022, November 2022, Februar 2023 und April 2023




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Bild oben: Bei der Detailwiedergabe kann ich keinen Unterschied zwischen einem frischen und dem abgelaufenen T-Max 400 feststellen. Nikon FA mit Nikkor 28mm/3.5. Das Bild unten wurde mit einem 35 Jahre lang völlig unsachgemäß gelagerten Ilford HP5Plus gemacht. Wie man sieht ist die Qualität schlecht, was nicht dem Film an sich, sondern seiner unsachgemäßen Aufbewahrung über einen sehr langen Zeitraum geschuldet ist. Trotz Belichtung mit ISO 100 sind die maximalen Dichten zu gering. Der Kontrast ist viel zu flau und auch nach einem Scan nicht gut steuerbar. Schon bei der geringsten Korrektur laufen die Schatten zu und werden zu schwarzen Flecken oder es brennen die Lichter aus, wie das hier gut zu sehen ist.