Bronica ETRSi
6x4,5 Mittelformat-Kamerasystem
Im Lauf der Jahre habe ich insgesamt drei Bronica ETRSi-Kameras und eine Reihe unterschiedlicher Objektive besessen. Die erste Grundausstattung habe ich 1995 gekauft. Sie bestand aus einem ETRSi-Kameragehäuse, einem PE 75mm-Standardobjektiv, zwei Rollfilmkassetten, einem AE-III-Prismensucher, dem Motorantrieb und einem PE 250mm-Teleobjektiv. Diese Zusammenstellung habe ich in der Folge einige Jahre für Luftaufnahmen von Industrieobjekten eingesetzt. Nachdem der Auftrag ausgelaufen war, habe ich die komplette Ausrüstung verkauft und den Erlös in andere Fotogeräte investiert.


Eine weitere Bronica ETRSi-Ausrüstung habe ich nur etwa ein Jahr besessen. Ich habe sie für einen großen Auftrag angeschafft und nach Erledigung desselben wieder abgegeben.


Die dritte und wahrscheinlich letzte ERTSi-Austrüstung habe ich gekauft, weil es sich um eine seltene Zusammenstellung handelt, die in dieser Form meines Wissens nach nie im Handel angeboten wurde. Das Kameragehäuse und zwei Rollfilmkassetten haben transparente Abdeckungen, die den Blick auf die mechanischen Komponenten freigeben. Derartige Kamerasets wurden wahrscheinlich nur für autorisierte Bronica Kamerawerkstätten angefertigt, die bei Reparaturen immer wieder das mechanische Zusammenspiel einzelner Komponenten kontrollieren mußten.


Die hier gezeigte Ausrüstung stammt aus einer aufgelassenen Bronica Kamerawerkstätte und wurde mir in genau dieser Zusammenstellung verkauft. Ich habe eine Weile im Internet bzw. in der Fachliteratur recherchiert aber keine derartige Bronica ETRSi-Ausrüstung dokumentiert gefunden. So muß ich mich wohl auf die Aussagen des Verkäufers verlassen, die besagen, daß es das Gehäuse und die Rollfilmkassetten mit transparenten Abdeckungen gegeben hat, nicht aber einen durchsichtigen AE-II Prismensucher und einen durchsichtigen Motor Winder E-II.


Mit der durchsichtigen Kameraausrüstung kann man wie mit einer gewöhnlichen schwarzen Bronica ETRSi fotografieren und es passen natürlich auch alle handelsüblichen Komponenten zur transparenten Kamera. Viel habe ich die ETRSi nicht verwendet, in der Zwischenzeit habe ich sie wieder verkauft, weil mir eine Bronica ETRSi für Reisefotografie viel zu unhandlich ist.


Wie man der Einleitung unschwer entnehmen kann, ist die Bronica ETRSi eher ein Gerät für den professionellen Bereich. Für den Einsatz unterwegs, z.B. als Reisekamera, ist sie mir eindeutig zu groß und zu schwer. Das Kampfgewicht einer mit Motorantrieb und Prisma ausgestatteten ETRSi liegt um 2,5 Kilogramm inklusive einem Objektiv. Das ist auf keiner Städtereise und keiner Wanderung empfehlenswert. Mit zwei weiteren Objektiven, einer zusätzlichen Rollfilmkassette und ein bißchen Zubehör kommen dann sehr schnell fünf oder sechs Kilogramm Fotoausrüstung zusammen.


Als Gegenleistung erhält man ein extrem robustes Kamerasystem, welches professionellen Einsatz auch über längere Zeit aushält. Diese Erfahrung habe ich mit meiner ersten ETRSi auf ausgedehnten Hubschrauberflügen und Einsätzen bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt machen können. Bei sorgsamer Behandlung halten sich Abnützung und Verschleiß in geringen Grenzen. Über die optische Qualität braucht man bei einer Bronica eigentlich nicht wirklich nachdenken. Alle Objektive, die ich besessen habe (40mm Weitwinkel, 75mm Normalobjektiv, 250mm Teleobjektiv) waren optisch tadellos und die angefertigten Negative haben immer restlos überzeugt. Den Motor Winder E-II habe ich bei meiner ersten ETRSi gekauft, weil ich mir im Helicopter eine bessere Handhabung versprochen habe. Seither habe ich dieses Zubehör immer verwendet und halte es für fast unverzichtbar. Alternativ gäbe es noch den Schnellschaltgriff E, der die Handhabung ebenfalls wesentlich verbessert aber nur einen manuellen Filmtransport bietet.


Bei den aktuellen Gebrauchtgerätepreisen ist ein Prismensucher kein Luxus sondern sollte ebenfalls ein Standardzubehör zu einer ETRSi sein. Seltener und teurer ist das AE-III Prisma mit verschiedenen Belichtungsmeß-Charakteristiken und einem moderneren Design. Billiger, weil in wesentlich größeren Stückzahlen angeboten wird aber das AE-II Prisma. Davon gibt es zwei Ausführungen, die man von außen nicht unterscheiden kann. Erst ein Blick in den Sucher zeigt den Unterschied. Die erste Serie hat eine etwas schlechter ablesbare LED-Anzeige, die zweite Serie wurde mit einem helleren und leichter erkennbaren LED ausgestattet. Ich persönlich konnte mich noch nie mit dem seitnverkehrten Sucherbildern aus dem Faltlichtschacht anfreunden, daher eine uneingeschränkte Empfehlung für einen Prismensucher, egal welchen.


Wie jedes Kamerasystem hat auch die Bonica ETRSI ihre kleinen Schwächen. Viele sind es nicht, ein paar haben mir im Lauf der Jahre schon zu schaffen gemacht. Da wäre zuerst die sehr schlecht gelöste Filmempfindlichkeitseinstellung. Die erfolgt nämlich am Prismensucher und nicht wie etwa bei Mamiya-Systemen direkt an der Filmkassette. Früher kam es öfter vor, daß ich Filme mit verschiedener Empfindlichkeit verwendet habe. Nicht nur einmal habe ich auf beim Wechsel der Rollfilmkassette vergessen die Empfindlichkeit anzupassen.


Eine weitere Schwachstelle war bzw. ist, daß die Batterien im Motor Winder E-II ausschließlich den Motorantireb mit Energie versorgen, nicht aber das Kameragehäuse. Erstens sind Mignon-Batterien wesentlich preiswerter als 4LR44-Typen und zweitens erfordert der Wechsel der Kamerabatterie viel Zeit, weil man den Motor Winder komplett abnehmen muß. Glücklicherweise hält die 6-Volt-Batterie im Kameragehäuse eine Weile und so kommt man glücklicherweise nicht allzu oft in die Verlegenheit mit der kleinen Batterie herumfummeln zu müssen.


Der letzte Kritikpunkt ist vielleicht immer von mir selbst verursacht worden und betrifft die Mattscheiben. Bei Einsätzen unterwegs gelangt immer wieder Staub auf die Mattscheibe, auch wenn man einen Prismensucher verwendet. Das Material aus dem die Bronica-Mattscheiben gefertigt sind, ist so weich, daß schon nach einigen Putzvorgängen mit einem Mikrofasertuch leichte Kratzer gibt. Ich mußte regelmäßig die Mattscheiben tauschen, weil mich die imLauf der Zeit angehäuften Kratzer gestört haben.






Pro und Kontra:


Pro: Die Bronica ETRSi ist eine wirtschaftliche Kamera, weil man mit dem Filmformat 6x4,5cm die Qualität im Mittelformat nutzt aber gleichzeitig die Materialkosten niedrig hält. Früher habe ich sehr oft Vergrößerungen im Format 70x100cm anfertigen lassen. Das war qualitativ keine große Sache, ein größeres Negativformat war nicht nötig. Die ETRSi ist für eine Mittelformatkamera sehr schnell. Mit dem Motor Winder E-II, einem Prismensucher und mehreren Rollfilmkassetten kann man sogar reportagemäßig fotografieren, wenn man möchte.
Das System paßt sehr gut ins eigene (Heim-)Studio. Auch bei beengten Platzverhältnissen gibt es eine gut abgestufte Brennweitenpaletten (40/50/60/75mm).


Die Bronica wird nicht mehr hergestellt und es gibt keine digitalen Rückteile von Bronica. Das sorgt für günstige Gebrauchtpreise. So kann man sich eine komplette Ausrüstung leisten, ohne den finanziellen Bankrott riskieren zu müssen.



Kontra:
Man sollte sich gut überlegen, die Kamera auf längere Wanderungen oder eine Reise mitzunehmen. Mir ist sie eindeutig zu schwer und unhandlich. Dafür gibt es z.B. eine Bronica RF645 oder eine Fujifilm GA. Eine Bronica ist auch nichts für den statusbewußten Edelamateur. Dafür gibt es Hasselblad & Mamiya, eine Bronica ist ein solides Handwerkszeug.


Die letzten Bronica ETRSi-Gehäuse wurden Ende 2004 bzw. Anfang 2005 hergestellt. Bronica hat die Produktion eingestellt und auch das Service rapide ausgedünnt. In Europe gibt es nur mehr eine einzige Servicestelle (Intro2020 in Großbritannien), die noch bis etwa 2012 ein mehr oder minder vollständiges Ersatzteil- und Serviceangebot sicherstellt. Das sollte man beim Kauf einer gebrauchten Ausrüstung bedenken.