Die Canon T-90 und das Canon FD-Kamerasystem
Ein Klassiker mit hohem Gebrauchswert.
Sie werden sich vielleicht fragen warum sich ein Abschnitt dieser Homepage mit einem alten, seit Jahren nicht mehr produzierten Kamerasystem beschäftigt. Die Antwort ist ganz einfach: Weil man damit nach wie vor gute Fotos in professioneller Qualität machen kann und weil man die Komponenten dieses Kamerasystems zu günstigsten Preisen bei eBay ersteigern kann.
Die Vorgeschichte: Ein Freund hat mich gebeten eine professionelle Spiegelreflexkamera mit einem Satz lichtstarker Objektive zu besorgen. Professionell deshalb, weil er gerne und oft verreist und dabei nicht wirklich auf die Ausrüstung aufpasst. Die Objektive sollten deshalb lichtstark sein, weil er auf Blitzlicht verzichten möchte, was bei Reisefotografie durchaus logisch erscheint. Blieb als einziger Knackpunkt der Preis. Er wollte so wenig als möglich ausgeben, am besten 400 Euro, maximal jedoch 500 Euro, die auf keinen Fall überschritten werden sollten.

Wenn Sie heute jemanden um Rat fragen, so wird man Ihnen sofort eine Digitalkamera empfehlen. Das wollte auch ich in einer ersten Reaktion tun. Modelle um 500 Euro bieten eine Menge Pixel, haben ein brauchbares Zoomobjektiv und sehen mitunter sogar professionell aus. Sie haben nur einen Nachteil: Sie sind nicht für professionelle Benutzer konstruiert worden. Bei so mancher Aufnahmesituation wird eine solche Kamera nicht unbedingt die Möglichkeiten bieten, die man dann benötigt. Vor allem wird die sorglose Behandlung einer Amateur-Digitalkamera schnell zu einem Zwischenstopp in der Kamerawerkstätte des Herstellers führen. Bleibt nur eine digitale Spiegelreflexkamera, die man theoretisch auch gebraucht kaufen kann. Dabei stellt sich beim Stöbern in eBay heraus, dass zum Beispiel eine gut erhaltene Fujifilm FinePix S1Pro (Baujahr 2000) zwischen 900 und 1000 Euro (08/2003) kostet. Das sprengt unsere 500 Euro um einiges, kommt bei einer solchen Kamera auch noch ein Objektiv dazu. Nehmen wir als Beispiel ein Tamron AF-SP 28-75mm/2,8 XR-Di, so kostet die Optik nochmals rund 450 Euro. Ist man bei der Optik ein wenig sparsamer und begnügt sich mit wenig Lichtstärke, dann wird man bei etwa 250 Euro landen. Damit begannen meine Überlegungen in Richtung konventioneller Kameras.
Zeitlos: Die Canon T-90 war bei ihrer Präsentation 1982 die fortschrittlichste Spiegelreflexkamera.

Wie aber die 500 Euro anlegen? Ich habe mir ein Pflichtenheft für die Ausrüstung zusammengestellt und versucht von der Liste so wenig als möglich zu streichen:

Das Kameragehäuse soll professionell sein, also robust und ausbaufähig.

Eine umschaltbare Belichtungsmessung (Spot-/Integralmessung) sorgt für bessere Belichtung und ist daher unumgänglich.

Blitz TTL-Messung ist kein Luxus sondern verbessert die Bildqualität. Auch wenn dieses Feature vorerst nicht benutzt wird, ist es gut wenn es bei Bedarf verfügbar ist.

Ein motorischer Filmtransport ist bequem.

Autofokus ist eine komfortable Sache und erleichtert die Scharfeinstellung.

Die Objektive sollen höchste optische Qualität haben und von einem Markenhersteller kommen.

Die Lichtstärke der Objektive sollte zumindest 1:2,8 betragen.

Ein Brennweitenbereich von 28mm bis 135mm muss abgedeckt werden.

Das LC-Display ist übersichtlich und lässt sich auch nach vielen Jahren noch gut ablesen.

Preiswert: Energie aus 4 Mignon- Batterien oder Akkus.

Bei aktuellen Kamerasystemen bin ich bereits nach kurzer Zeit gescheitert. Die Kombination hochwertiges Kameragehäuse mit hochwertigen Objektiven war um 500 Euro bei keinem Hersteller machbar. Blieben also nur Gebrauchtgeräte. Auch da schieden aktuelle Systeme bald aus, weil aktuelle Gebrauchtgeräte in einem guten Zustand nur rund 20% weniger kosten als neu im Laden.

Damit war für mich klar, dass Autofokus aus meinem Pflichtenheft zu streichen ist. Mein Bekannter war damit einverstanden auch in Zukunft die Schärfe manuell einstellen zu müssen  und damit sind am Ende die „alten“ Systeme von Canon und Minolta aus der Zeit vor der Autofokus-Ära übriggeblieben. Für Canon habe ich mich in der Folge deshalb entschieden, weil ich seit Jahren eine Canon T-90 mit einem Satz ausgezeichneter Objektive besitze und es einen riesigen Gebrauchtmarkt gibt, was sowohl die Auswahl als auch die Preise interessanter macht.

So wurde die Ausrüstung schliesslich zusammengestellt:

Canon T-90 Gehäuse

Canon FD 28mm/2.8 Weitwinkel

Canon FD 35mm/2.8 Weitwinkel

Canon FD 50mm/1.8 Normalobjektiv

Canon FD 135mm/2.5 Teleobjektiv

Magicase M Fototasche

Gesamtsumme

 

€ 250,--

€   50,--

€   45,--

€   25,--

€   50,--

€   18,--

€ 438,--

Ich bin also mit etwas mehr als 400 Euro ausgekommen, wobei ich bemerken muss, dass man bei eBay Nerven und auch ein wenig Glück haben muss. Die oben beschriebene Ausstattung stammt bis auf die Fototasche aus eBay Versteigerungen und es hat etwa fünf Wochen gedauert, bis ich alle Artikel in der gewünschten Preis- und Qualitätsklasse ersteigert hatte. Mit den Portokosten bin ich dann nochmals ein wenig mehr über 450 Euro gerutscht und insgesamt wurden dann rund 480 Euro ausgegeben.
Die Canon T-90 wurde 1982 konstruiert und vom bekannten Designer Luigi Colani mit einem auch heute noch modern wirkenden Gehäuse versehen. Die Kamera liegt gut in der Hand, die Bedienelemente sind dort wo man sie braucht und dank des Bedienrades oberhalb des Handgriffs ist die Verstellung von Verschlusszeit und Blende einfach und geht schnell vor sich. Hinter einer Klappe an der rechten Kameraseite sind Bedienelemente versteckt, die nicht so oft gebraucht werden, wie zum Beispiel die Umschaltung für den motorischen Filmtransport, die Sucherbeleuchtung oder die Taste für die vorzeitige Filmrückspulung. Das Gehäuse ist robust, wobei die Kunststoffabdeckungen mit der Zeit einen etwas speckigen Glanz bekommen. Je nach mechanischer Belastung zeigen dann auch die aus Kunststoff gefertigte Kamerarückwand bzw. der Kameraboden mehr oder minder deutliche Gebrauchsspuren. Für Vitrinensammler ein Alptraum, für Fotografen maximal ein Schönheitsfehler, weil die Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird. Auch die mit einem Federmechanismus schließende Klappe ist erstaunlich widerstandsfähig und man hört nur ganz selten von abgebrochenen Teilen oder kaputten Federn. Aus Recherchen im Internet ist mir auch bekannt, dass die LCD-Felder wenig anfällig auf Störungen sind und in der Regel wesentlich länger einen ausgezeichneten Kontrast behalten als vom Hersteller angegeben. Die Technik der Canon T-90 ist bis auf den fehlenden Autofokus nach wie vor aktuell. Das Objektivbajonett ist aus Metall gefertigt, es passen fast alle Canon FL- und FD-Objektive. Die Belichtungsmessung ist zwischen mittenbetonter Integralmessung, Selektivmessung und Spotmessung umschaltbar. Bei der Spotmessung gibt es sogar die Möglichkeit mehrere Messpunkte anzuvisieren, deren Messwerte zu speichern und die Kamera die daraus resultierende Belichtung zu errechnen. An Belichtungsfunktionen steht alles zur Verfügung, was auch heute noch Standard ist: Der Bogen reicht von vollständig manueller Belichtung über Zeit- und Blendenautomatik bis hin zur Programmautomatik. Die Programmautomatik ist mit einer Eingriffsmöglichkeit (Shift) versehen um wahlweise mehr blenden- oder zeitorientiert arbeiten zu können. Was man vergeblich sucht sind die sogenannten Motivprogramme. Das gab es zur Zeit der T-90 noch nicht und wenn man zumindest über durchschnittliche fotografische Kenntnisse verfügt werden sie einem auch nicht besonders fehlen.

Die Sucheranzeigen sind komplett und bestehen aus einer Mischung von LED- und LCD-Anzeigen. Wie Sie richtig vermuten solide Technik der achtziger Jahre aber von der Anordnung und dem Informationsgehalt nach wie vor modern wie es ein Kontrollzentrum einer Kamera für professionelle Ansprüche eben sein soll. Angezeigt wird Blende und Verschlusszeit, sowie auf dem Display an der rechten Seite des Suchers je nach Betriebsart ein Bildzähler, eine Lichtwaage oder Informationen zur Mehrpunkt-Spot-Messung.

Der Filmtransport erfolgt automatisch, ebenso die Rückspulung. Die Transportgeschwindigkeit kann in zwei Stufen gewählt werden und liegt bei maximal 4,5 Bildern pro Sekunde. Die Kamera besitzt einen Verschlusszeitenbereich von 30 bis 1/4000 Sekunde mit einer kürzesten Blitzsynchronzeit von 1/250 Sekunde, Werte, die man auch bei aktuellen Kameramodellen findet. Als Stromversorgung kommen vier Mignon Batterien oder Akkus zum Einsatz. Das ist eine billige Spannungsquelle die auch ausreichend Filme pro Batteriesatz garantiert. Außerdem sind Mignon Batterien überall zu bekommen wenn man einmal unterwegs Ersatz beschaffen muss.

Ergänzt wird die Ausstattung noch durch eine auch heute noch einigermaßen moderne TTL-Blitztechnik mit der Möglichkeit z.B. auch auf den zweiten Verschlussvorhang zu blitzen und einigen anderen Sonderfunktionen, die jedoch nur mit bestimmten Blitzgeräten verfügbar sind.

Fazit: Eine Kamera, die im schlechtesten Fall schon zwei Jahrzehnte auf dem Buckel haben kann,  die aber auch heute noch modern ist und wenn man ein gut erhaltenes Exemplar erwirbt noch einige Zeit gute Dienste leisten wird. Im Vergleich mit z.B. einer Nikon FA ist die Canon T-90 die modernere Variante. Als einzigen Nachteil kann man den fehlenden Autofokus betrachten. Bei einem Gebrauchtpreis von rund 250 Euro ist aufgrund der nach wie vor aktuellen Ausstattung und der soliden Bauweise das manuelle Einstellen der Schärfe aber akzeptabel.

Die Canon FD-Objektivserie war in den achtziger Jahren für ihre Qualität  und die optischen Leistungen berühmt. Wer sich heute gut erhaltene gebrauchte FD-Objektive kauft, wird davon noch immer profitieren. Dabei ist zu beachten, dass gängige Brennweiten zwischen 28 und 135mm auch mit etwas höherer Lichtstärke vernünftige Preise haben, während hohe Lichtstärken und exotische Brennweiten nach wie vor teuer sind. Zu den „Raritäten“ gehören unter anderem sämtliche Objektive, die ein „L“ in der Typenbezeichnung haben, wie z.B. das 14mm/1:2,8 L, das 24mm/1:1,4L oder das 50mm/1:1,2L. Diese Objektive erreichen auch heute noch leicht Preise jenseits der 500 Euro Grenze.

Beschränkt man sich auf Lichtstärken um die 1:2,8, dann sieht die Sache besser aus: Mit ein wenig Geduld bekommt man gut erhaltene Objektive zu moderaten Preisen. Im konkreten Fall waren das ein 28mm/1:2,8, ein 35mm/1:2,8, ein 50mm/1:1,8 und ein 135mm/1:2,5 aus der FD-Serie. Das 35 und 135mm Objektiv noch in der Ausführung mit Chromring, das 28 und 50mm Objektiv bereits in der etwas neueren FD-Version ohne Chromring. Von allen Objektiven gab es große Stückzahlen, was sich auf die Preise positiv auswirkt. Für Beträge zwischen 25 und 50 Euro bekommt man durchwegs gut erhaltene Objektive ohne Mängel mit geringen Gebrauchsspuren. Wie bereits erwähnt hat man eine große Auswahl und kann sich den Zustand aussuchen. Alle von mir in Internet-Auktionen erworbenen Objektive entsprachen jedenfalls der Beschreibung und waren durchwegs in Ordnung.

Mit den Brennweiten 28, 35, 50 und 135mm ist man jedenfalls gut beraten, sie decken einen weiten Einsatzbereich ab. Ich persönlich finde, dass man die Lücke zwischen 50 und 135mm Brennweite mit einem (lichtschwächeren) Zoom 35-70mm gut abdecken könnte. Ein solches Zoom stellt für Standardsituationen eine bequeme Lösung dar und man muss nicht so oft das Objektiv wechseln.

Fazit: Preiswerte Objektive in gutem Zustand, mit bester optischer Qualität und relativ hoher Lichtstärke.

Original Canon FD Objektive: Profiqualität zum Minimumtarif. Brennweiten von 28mm bis 135mm bei Lichtstärke 1:2,5 und 1:2,8. Das 35mm Objektiv ist hier durch ein 35-70mm/1:4.0 Zoom ersetzt worden.
Geheimtipp: Das Tokina SD 28-70mm/1:3,5-4,5 ist zwar nicht besonders lichtstark aber solid gebaut und hat eine exzellente Bildqualität.

 

 

 

 

April 2002                                                                                   zurück zur Startseite