Jeder Hersteller hat in seiner Produktpalette eine Art ungeliebtes Kind. Bei Leitz ist es die Leica M5, eine Kamera, die nur in geringen Stückzahlen produziert wurde und die auch bei den Anwendern nicht besonders hoch im Kurs steht. Dabei tut man der Kamera unrecht. Sie ist die erste Leica M mit einer TTL-Belichtungsmessung, sie ist eine echte Weiterentwicklung der M-Serie und sie ist die letzte Leica M, die nach den strengen Qualitätsmassstäben von Leitz produziert wurde, die in den 1950er und 1960er gegolten haben. Ohne die technischen Details durchzuhecheln ein paar Highlights:
Die wohl größte Besonderheit ist die Technik der TTL-Belichtungsmessung. Die Messzelle ist an einem Schwenkarm angebracht, der bei gespanntem Verschluss in den Strahlengang zwischen Objektiv und Verschlusstuch geschwenkt und unmittelbar vor der Auslösung wieder weggeklappt wird. Die Messcharakteristik geht sehr stark in Richtung Spotmessung, was für mich sehr angenehm ist und vor allem bei Diafilm für kontrollierbare Resultate sorgt. Die richtige Zeit-/Blendenkombination wird mit einem unorthodoxen Zeigersystem in einer Art Nachführmessung eingestellt. Das ist nur am Anfang gewöhnungbedürftig und man hat das System bereits nach dem ersten Film verinnerlicht. Übrigens ist die Leica M5 die erste M-Kamera mit Anzeige der Belichtungszeit im Sucher. Es hat nach der M5 noch bis März 2002 gedauert, bis es wieder eine echte M mit diesem Feature gegeben hat (Leica M7).
Alle Leica M Modelle vor der M5 basieren auf dem Modell M3. Die Leica M5 ist eine eigenständige Weiterentwicklung mit vielen, für die damalige Zeit neuartigen, Lösungsansätzen innerhalb des M-Systems. Bedingt durch den Belichtungsmesser ist sie bis heute die größte Leica M und wurde deshalb sehr oft zu unrecht kritisiert. Verglichen mit einer aktuellen digitalen Spiegelreflexkamera ist die Leica M5 bestenfalls zierlich. Ebenfalls ein neuer Lösungsansatz, der sofort wieder kritisiert wurde, waren die Ösen für den Tragriemen. Die Konstrukteure wollten doch tatsächlich, dass die Kamera vertikal, im Hochformat, getragen wird. Welch eine Zumutung für die wahren Leica M-Fetischisten. Als nachträgliche Modifikation wurde innerhalb der Serienfertigung sofort eine dritte Öse an das Kameragehäuse geschraubt. Damit kann man eine M5 wahlweise waagrecht (vor dem Bauch) oder senkrecht (elegant über die Schulter gehängt) tragen.
Die M5 ist die letzte Kamera, die während der gesamten Produtkionszeit in Deutschland gefertigt wurde. Sie ist auch die letzte M-Kamera, deren Beschriftungen graviert wurden (heute werden die Schriftzüge
geprägt). Sie ist auch das letzte Modell, welches nach den strengen Spezifikationen, die für M-Leicas in den 1950er und 1960er Jahren gegolten haben, (hand-)gefertigt wurde. Alle Bauelemente wurden in mühevoller Kleinarbeit aufeinander abgestimmt, wogegen heute einzelne Baugruppen solange getauscht werden, bis die Toleranzen stimmen (ab der M4-2 eingeführtes Programm zur Kostensenkung).