Die optimale analoge Nikon-Ai/AiS-Ausrüstung - Teil 12: 20mm Weitwinkelobjektive
Nikon Ai/AiS ist noch immer ein modernes Kamerasystem. Da ist es kein Problem ein Super-Weitwinkelobjektiv zu besorgen, wenn man eines haben will. Für den wirklich weiten Winkel bietet sich die Brennweite von 20mm mit einem Bildwinkel von 84° an. Die Auswahl beschränkt sich nicht nur auf ein Objektiv, man hat verschiedene Optionen. Bei meinem AF Nikkor 20mm/2.8D Objektiv habe ich vor einigen Jahren durch eine Unachtsamkeit die Vergütung der Frontlinse großflächig beschädigt. Erst ein Teileträger in Form eines ebenfalls defekten Objektivs hat mir die Instandsetzung ermöglicht und ich habe aus zwei defekten ein funktionsfähiges 20mm-Objektiv zusammengestellt. Wie ich das gemacht habe, kann man   h i e r   nachlesen. Das reparierte Objektiv musste ich natürlich auf seine optischen Leistungen überprüfen und habe es mit anderen 20mm-Brennweiten aus dem Nikon-Objektivprogramm verglichen. Daraus hat sich auch diese Seite ergeben, denn alle hier vorgestellten Objektive passen uneingeschränkt zu den Ai- und AiS-Kameras von Nikon:

    - Nikkor 20mm/4.0 Ai                        - AF Nikkor 20mm/2.8D

    - AF Nikkor 20-35mm/2.8D                - AF Nikkor 18-35mm/3.5.-4.5D

Pro:

- alle vier Objektive sind 100%ige Ai/AiS-Objektive

- gut verarbeitet und langlebige Konstruktionen

- sehr gute bis ausgezeichnete Abbildungsleistung

- relativ preisgünstig am Gebrauchtgerätemarkt zu haben



Kontra:

- AF Nikkor 20mm/2.8D ab und zu mit Delaminations-Problem

- das Nikkor 20mm/4.0Ai wird eher selten angeboten

Die vier Objektive stammen aus der Filmära und sind mehr als zwanzig Jahre alt. Obwohl der Vergleich aus Zeitgründen mit einer Nikon D700 abgewickelt wurde, kommen alle vier Objektive bei mir nur mit analogen Nikons zum Einsatz. Die Gegenüberstellung ist nicht repräsentativ, weil objektivtechnisch gesehen "Äpfel mit Birnen" verglichen werden und etliche 20mm-Brennweiten, vor allem aktueller Konstruktion, fehlen. Dafür sind alle vier Objektive echte Ai/AiS-Typen. Bei Nikon war man über einen längeren Zeitraum auf volle Kompatibilität zwischen den Ai/AiS- und AF/AF-D-Baureihen bedacht und deshalb kann man bei Ai- und AiS-Kameras auch AF- und AF-D-Objektive - bei fehlendem Autofokus -  ohne Einschränkungen nutzen.

Ich will hier die im Internet üblichen Lobhudeleien einfach mal weglassen. Die finde ich übertrieben, weil es sich um vier sehr gute Objektive handelt, die aber ihre Vorteile und Limitationen haben. Auch auf eine ermüdende Abfolge von Vergleichsaufnahmen verzichte ich, weil sie ohnehin kaum jemand ansieht. Statt dessen werde ich in einer Tour de Force grundlegende Eigenschaften zusammenfassen. Und schon geht es los.

Ausnahmslos alle hier gezeigten Objektive schwächeln bei geöffneter Blende. Da ist jeweils das Bildzentrum scharf und die Randbereiche lassen deutlich nach. Speziell in den Ecken kann man dann schon von Unschärfe sprechen. Kontrast und Auflösung lassen bei offener Blende nur in den Ecken zu wünschen übrig. Ab Blende 5.6 bessert sich die Situation und die Abbildungsleistung ist dann über das gesamte Bildfeld akzeptabel. Zu ihrer Höchstform laufen die Objektive zwischen Blende 8 und 11 auf. Wer in der letzten Ecke am Negativ nach reduzierter Schärfe sucht, wird fündig, für das echte Leben hat das aber wenig Bedeutung. Man sollte nicht vergessen, dass es sich um Kleinbildobjektive älterer Konstruktion handelt. Diffraktion, also Beugungsunschärfe, tritt erwartungsgemäß bei Blende 16 und 22 auf.

Eine tonnenförmige Verzeichnung ist bei allen vier Objektiven ein Thema. Wer sich auf das Abfotografieren von Ziegelwänden, Zeitungsseiten oder 16-Bogen-Plakaten spezialisiert hat, sollte andere Objektive und vielleicht eine Mittel- oder Großformatkamera wählen. Die angesprochene Verzeichnung ist vor allem bei den beiden Zooms komplex und in der Bildbearbeitung nicht ganz einfach zu korrigieren. Man tut gut daran, dieses Phänomen schon bei der Aufnahme zu berücksichtigen. Als Beispiel möchte ich geradlinige Horizonte in der Nähe des oberen beziehungsweise geradlinige Objekte nahe des unteren Bildrandes erwähnen. Oben bekommt dann das Meer einen Höcker, während am unteren Bildrand der Sandstrand eine leichte Mulde bildet - und das sieht beides nicht so toll aus.

Weitwinkelobjektive und Gegenlicht sind auch schon immer ein eigenes Thema. Meine "Viererbande" macht da keine Ausnahme, denn alle Optiken mögen Gegen- und Streiflicht nicht so besonders. Ehrlich gesagt kann man damit leben, wenn man sich mit den Eigenheiten des eingesetzten Objektivs beschäftigt hat. Flecken, geringe Kontrastminderung oder Streifen durch Streulicht kann man mit einem Super-Weitwinkel nicht immer vermeiden. Was die Gegenlichtblende betrifft kommt jetzt meine sehr eigene Betrachtung. Bei einem 20mm-Weitwinkelobjektiv sind Streulichtblenden weitgehend verzichtbar. Ihr Wirkungsgrad ist minimal bis kaum vorhanden. Da macht es keinen Unterschied ob man eine runde HB-4 am AF Nikkor 20mm/2.8D oder die seltsam geformte HB-8 an einem der Zooms verwendet. Der große Bildwinkel von 84° garantiert, dass immer genügend Streif-, Seiten- und Gegenlicht zur Verfügung steht, auch wenn man eine Streulichtblende aufgeschraubt hat. Eine Gegenlichtblende an einem Super-Weitwinkel ist eher eine Beruhigung als eine effiziente Abschattung.

Die Konstruktion und Verarbeitung ist bei allen vier Objektiven sehr gut. Das Nikkor 20mm/4.0Ai und das AF Nikkor 20-35mm/2.8D entsprechen den hohen Profistandards, wie man das bis Ende der 1990er bei Nikon gewohnt war. Das AF Nikkor 20mm/2.8D zwar auch, nur fällt es mit der Polycarbonatverkleidung haptisch etwas ab. Beim AF Nikkor 18-35mm/3.5-4.5D handelt es sich um das jüngste Objektiv im typischen Amateurlook der frühen 2000er, ist aber haptisch und funktional einwandfrei und dazu sehr leicht. Auf Reisen ist das ein Vorteil. Das AF Nikkor 20-35mm ist das schwerste Objektiv, bei dem man abwägen muss, ob die robuste Bauweise unterwegs erforderlich ist und das hohe Gewicht rechtfertigt. Das Nikkor 20mm/4.0Ai kann man immer einstecken. Es ist das kleinste sowie leichteste Objektiv und nimmt in der Fototasche kaum Platz ein. 

AF Nikkor 20mm/2.8D: Dieses Objektiv gibt es mit optisch identischem Aufbau auch als Nikkor 20mm/2.8AiS. Bei offener Blende ist es nicht der Bringer großartigster Abbildungsleistung, etwas abgeblendet kann man mit einer Bildqualität rechnen, die auch Anspruchsvolle zufriedenstellt. Es war zwei Jahrzehnte im Angebot von Nikon und zu seiner Zeit praktisch das Standard-20er von Profi- wie Amateurfotografen. Man kann mit diesem Objektiv kaum etwas falsch machen, es harmoniert nicht nur mit den ersten Generationen der AF-Kameras, sondern ist auch ein vollwertiges Ai/AiS-Objektiv. Auf die kompakte Größe und die einwandfreie Verarbeitung möchte ich Hinweisen, sie sind weitere Argumente für dieses Objektiv.

Laut meinen Recherchen ist die letzte Linsengruppe anfällig für Fehler in Form trüber Linsen. Die Mehrschichtvergütung der Frontlinse ist sehr empfindlich und bei manchen Ojektiven verkleben die Blendenlamellen. Auf diese drei Dinge sollte man vor dem Kauf achten, damit man keine Zitrone erwirbt.

 

Das Nikkor 20mm/4.0Ai ist das kleinste 20mm-Super-Weitwinkel von Nikon. Es ist kleiner als ein 50mm/1.8-Standardobjektiv und findet in praktisch jeder Fototasche Platz. Es wurde nur drei Jahre in einer Stückzahl von gerade 22.100 Exemplaren hergestellt, wird nicht sehr häufig angeboten und ist einigermaßen ein Exot. Die relativ geringe Lichtstärke von f4.0 macht es für viele Enthusiasten uninteressant, was bedeutet, dass man dieses Objektiv mitunter relativ günstig bekommt.

Die optischen Leistungen gehen völlig in Ordnung und sind einem Hochleistungs-Super-Weitwinkel der 1970er-Jahre entsprechend. Man darf ein wenig abblenden um dem Objektiv zu seiner optisch besten Leistung zu verhelfen. Mir erscheint es aus dem hier vorgestellten Quartett das Objektiv mit der geringsten Empfindlichkeit auf Gegen- und Seitenlicht zu sein. Aber das mag eine subjektive Beurteilung sein. Würde ich es wieder kaufen? Eindeutig ja, weil die Leistung stimmt.

 

 

Beim AF Nikkor 20-35mm/2.8D handelt es sich um ein Objektiv für den kommerziellen Einsatz. Das bedeutet eine robuste Ausführung aus dauerhaften Werkstoffen, ein hochgezüchtetes optisches System und damit verbunden eine entsprechende Größe sowie ein nicht zu unterschätzendes Gewicht. Es war ab 1994 die Alternative zur 20mm-Festbrennweite, ein Jahrzehnt lang das Objektiv für kommerzielle Reportagefotografie schlechthin und entsprechend weit verbreitet. Ein Grund, warum es heute noch in ausreichender Stückzahl zu vernünftigen Preisen am Gebrauchtmarkt auftaucht.

Wie zu erwarten ist, erreicht dieses Objektiv seine beste Leistung zwischen Blende 5.6 und 11. Bei offener Blende 2.8 ist mein Exemplar nicht schlecht, wobei ich diese Blende trotzdem nicht exzessiv nutze. Nach fast dreißig Jahren im Einsatz ist es noch immer tadellos und ein gutes Beispiel für die hervorragende Fertigungsqualität von Nikon. Eine gute Wahl, wenn Gewicht und Größe keine entscheidenden Faktoren beim Kauf sind.

 

Ein AF Nikkor 18-35mm/3.5-4.5D ist mir einmal für einen zweistelligen Eurobetrag zugelaufen. Keiner wollte die Röhre mit der übergroßen Frontlinse. Sie ist ja ein Amateurobjektiv mit einer Außenverkleidung aus Plastik, pardon Polycarbonat. Ein Zoom mit einer veränderlichen und nicht berauschenden Anfangslichtstärke ist es auch noch und damit für alle Fanatiker von Festbrennweiten so richtig pfui.

Dieses Objektiv ist genau richtig, wenn man weniger als für das 20-35mm-Modell ausgeben möchte und mehr bemi Gewicht und etwas weniger an der Größe sparen will. Die Abbildungsleistung entspricht jener des 20-35mm-Nikkors und ist ein wenig abgeblendet absolut tadellos. Mit 18mm kürzester Brennweite kommt noch mehr aufs Bild und der noch vorhandene Blendenring schafft die Kompatibilität zu den Ai- und AiS-Kameras. Mit dem 18-35-Weitwinkel an der Kamera und einem 105mm/2.5-Objektiv ist man gut ausgestattet und mit kleinem Gepäck unterwegs.