Nikon Ai/AiS - Teil 13: Die Kiev 19M mit dem Arsat H 50mm als Nikon-Ai-Alternative?

Was hat die Kiev 19M Kamera und das Arsat 50mm/2.0 Objektiv mit dem Nikon-System zu tun? Beide Fotogeräte haben einen Nikon Ai-Objektivanschluss und wirken ganz entfernt wie Klone von Nikon-Produkten, kommen aber ursprünglich aus der UdSSR und nicht aus Japan. Das hat dazu geführt, dass ich mich intensiv mit den Nikon-Plagiaten sowjetischer Kameraproduzenten beschäftigt habe.
 
Was ich mit Nikon-Plagiaten meine ist, dass in der ehemaligen UdSSR völlig ungeniert Spiegelreflexkameras mit Nikon-Ai-Bajonett und dazu passende Objektive mit ebensolchem Objektivanschluß produziert worden sind. Relativ umfangreiche Recherchen meinerseits haben keine Hinweise ergeben, dass diese Geräte in irgendeiner Form von Nikon lizenziert oder autorisiert worden sind. Ich denke auch, dass es kein Plazet seitens Nikon für derartige Kameras und Objektiv gegeben hätte. Es gibt auch keine Belege dafür, dass den Hersteller Zavod Arsenal Kamera rechtliche Konsequenzen getroffen hätten, weil Nikon gegen Patentverletzungen vorgegangen ist. Mag sein es sind patentrechtliche Grauzonen ausgenutzt worden, was ich aber eher glaube ist, man hat sich in der UdSSR schlicht und einfach nicht um ausländische Patente gekümmert. Darauf deutet hin, dass der Objektivanschluss als Bajonett vom Typ H bezeichnet wird. Der kyrillische Buchstabe H entspricht dem lateinischen N, was der einzige Hinweis auf Nikon sein dürfte. In keiner sowjetischen Publikation wird Nikon oder der Ai-Anschluß erwähnt. In der Bedienungsanleitung der Kiev 19M steht beim Objektiv zu lesen, es besitze einen Bajonett-Anschluß und ein Filtergewinde M52x0,75. Weiters ist zu entnehmen, die Kamera sei zur Verwendung spezieller für die Kiev-19 und Kiev-20 entwickelter Objektive vorgesehen. Das ist für mich Plagiarismus.

Bevor ich mich über die Kiev-19M detaillierter auslasse, noch ein kurzer Blick auf das Objektivprogramm des H-Bajonetts. Nimmt man alle über die Jahre mit einem Nikon-kompatiblen Bajonett produzierten Objektivtypen „Made in USSR" ist es ziemlich umfangreich. Es wird da und dort behauptet, alle Optiken wären hundertprozentige Nachbauten von Nikon-Objektiven. Durch Fakten belegbar sind diese Aussagen nicht und auch die Konstruktion, Ausführung und Lichtstärke lassen höchstens Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten zu, beweisen aber keine Kopien. Es bleibt nur offen, ob alle Objektive auch tatsächlich produziert, also über den Prototypen-Status oder Kleinstserien hinausgekommen sind, und an Kunden verkauft wurden. Oder sie waren, wie viele andere Konsumgüter in der UdSSR, nur sporadisch verfügbar. Gut möglich, dass die Produkte nur an Personen mit speziellem Bedarf, wie Berufsfotografen, abgegeben worden sind.
Nikon Ai/AiS - Teil 14

 

 

Jänner und März 2024




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Das Objektivbajonett ist Ai/AiS-kompatibel, was bedeutet, dass an der Kiev 19M auch eine Vielzahl von Nikon-Objektiven angesetzt werden kann. AF-Nikkore natürlich nur mit manueller Scharfeinstellung. Die Objektive mit "H-Bajonett" der Kiev passen natürlich an die verschiedenen Nikon-Gehäuse.
Die Objektivpalette zur Kiev 17/18/19/20-Serie hat für alle anstehenden fotografischen Aufgaben gereicht, so man die Objektive bekommen und sich leisten konnte. Vergleicht man die Produktpalette mit dem originalen Anbieter Nikon, war sie durchaus auf dem damaligen Stand der Technik. An technischen Leckerbissen hat nur ein echtes Makro-Objektiv gefehlt. Die Tabelle oben zeigt, welche Objektive wenigstens in geringen Stückzahlen produziert worden sein dürften.

Die Reihe der Kiev-Kameragehäuse mit dem Nikon F-Bajonett war einerseits recht umfangreich, andererseits wurden nur zwei Modelle in nennenswerten Stückzahlen gefertigt. Die Kiev-17 (1975 bis 1983/84) war die erste UdSSR-Kamera mit Nikon-F-Objektivanschluß aber ohne Belichtungsmesser. Auf sie folgte im Jahr 1979 die Kiev-17M mit Belichtungsmesser, Arbeitsblendenmessung und ebenfalls F-Bajonett. Von der Kiev-18 scheint es etliche Prototypen, mehrere Varianten und nur sehr wenige reguläre Kameras zu geben. Gebaut wurde dieses Modell zwischen 1978 und 1993. Einige Varianten der Kiev-18 sehen der Nikon FA sehr ähnlich, ohne aber deren technische Feinheiten zu imitieren. Bei der Kiev-19 (ohne „M") handelt es sich um eine Kiev-17M mit nur 1/500 Sekunde als kürzeste Belichtungszeit. Dieses Modell wurde von 1985 bis 1994 oder 1995 produziert und war das Modell von dem die meisten Kameras gebaut worden sein dürften. Gegen Ende der Produktionszeit ist zusätzlich ein Exportmodell mit lateinischer Beschriftung bekannt. Die Kiev-20 ist eine abgewandelte Kiev-19 ergänzt mit einem Vorlaufwerk und dem Ai-System. Sie wurde wegen ihres hohen Preises nur in geringer Stückzahl produziert und taucht nur selten als Gebrauchtgerät auf.

Das hier vorgestellte Modell Kiev-19M ist im Jahr 1988 in Produktion gegangen und wurde verschiedenen Quellen nach entweder bis 1994 oder 1996 gebaut, wobei Kosmo Foto erst das Jahr 2000 als Ende der Fertigung angibt. Meine Kamera stammt aus dem Jahr 1995. Die 19M ist bis auf die seltene Kiev 20 der einzige und der letzte Ai-Kamera-Klon von Zavod Arsenal, denn sie besitzt neben dem TTL-Belichtungsmesser auch einen (Ai-)Blendenmitnehmer für eine Offenblendenmessung. Die ersten Kiev-19M-Kameras wurden mit einer hell verchromten Deckkappe und Bodenplatte geliefert. Die Quellen sind sich nicht einig ob das Material Metall oder metallisierter Kunststoff gewesen ist. Von der silbernen Version wurden geringe Stückzahlen in den Jahren 1988, 1989 und 1990 hergestellt. Danach wurden die Deckkappe und die Bodenplatte aus schwarzem Polypropylen im Spritzgußverfahren hergestellt. Das hat der Kiev-19M ein etwas moderneres Aussehen gegeben und war für den Hersteller vermutlich kostengünstiger als die silberfarbige Variante. Von der schwarzen Kunststoff-Kiev-19M gibt es eine frühe und eine späte Version, die sich durch die Beschriftung auf der Filmmerkscheibe und der Ausführung des Helios/Arsat-Objektivs geringfügig unterscheiden. Die hier präsentierte Kamera ist demnach eine späte Version mit dem Arsat-H 50mm/2.0 in der letzten Version. Sie ist ein Exportmodell, erkennbar an der fünfstelligen Seriennummer im Inneren der Kamera, welche übrigens mit Graphitstift in die Filmpatronenkammer geschrieben ist, sowie der lateinischen Beschriftung am Prisma und dem fehlenden roten Strich darüber. Meine Kamera und das Objektiv sind leider nicht mehr „Made in USSR" oder „Made in Russia", was auf ein Baujahr nach 1991 schließen läßt. Das Objektiv ist als letzte Ausführung am fehlenden Chromzierring zu identifizieren.
An dieser Stelle möchte ich ein paar Worte zur Produktqualität der Kiev-19M los werden. Diese war direkt von der Wirtschaftsform im ehemaligen Ostblock abhängig. In der UdSSR-Planwirtschaft wurde fast alles im Vorhinein geplant und festgelegt. Die Fabriken hatten dann den Plan abzuarbeiten und die vorgegebenen Stückzahlen oder Einheiten herzustellen. Wurde der Plan erfüllt, war alles gut. Wurde er nicht erfüllt, war das schlecht, vor allem wenn die staatliche Plankommission auf das Unternehmen aufmerksam geworden ist. Das hat dann alle möglichen Konsequenzen gegeben, je nachdem wie viel der Plan untererfüllt worden ist. Also hat man alles daran gesetzt, die vorgegebenen Stückzahlen zu bauen. Um Zeit zu sparen wurden eine genaue Justierung und die Qualitätskontrollen am Ende der Fertigung sehr oft weggelassen, was dazu geführt hat, dass die Produktqualität extremen Schwankungen unterworfen war. Wenn man viel Glück hatte, war so eine Kamera ein Aufnahmegerät fürs Leben, mit ein wenig Pech war sie schon in der versiegelten Originalverpackung nur teilweise funktionsfähig. Nach dem Ende der UdSSR hat sich das Herstellerwerk Zavod Arsenal Kamera plötzlich in einem anderen Land befunden, was für die Produktqualität aber eher abträglich als zuträglich gewesen sein dürfte. Qualitativ hat sich ab 1991 trotz (vermeintlicher) Marktwirtschaft überhaupt nichts zum Besseren entwickelt.
Diese Kiev-19M ist nicht meine erste sowjetische Kamera. Einige Zorki und Fed sind bei mir schon gekommen und wieder gegangen. Eine Zorki 1 darf schon zwei Jahrzehnte bleiben und dient mir nach dem unrühmlichen Ende einer Bessa L als Gehäuse für das Voigtländer Heliar 15mm. Echte Nieten war keine der Feds oder Zorkis, aber alte Kameras mit mehr oder weniger - nennen wir es - Charakter. Und da schließt sich die Kiev-19M nahtlos an. Die Kiev 19M ist mit ihren scheinbaren Vorbildern Nikkormat FT3 oder der Nikon FM/FM2 nur bedingt vergleichbar. Manufakturware wie eine Nikkormat FT3 ist sie keine und ihr fehlt auch die Präzision einer Nikon FM2. Sie ist auch keine elegante Erscheinung, sondern kommt im Hammer-und-Sichel-Design der frühen 1970er-Jahre daher. Maschinenbau ist die erste Reaktion, wenn man den Filmtransporthebel bewegt, denn Feinmechanik fühlt sich anders an. Die Kiev-19M ist rauh und ruppig, wirkt aber wenigstens so massiv als wäre sie auch bei +40°C oder -40°C uneingeschränkt funktionsfähig. Der Filmtransport werkelt zuverlässig und die Transportschritte sind näherungsweise gleich ohne Überlappungen. Die Verarbeitung ist bestenfalls Durchschnitt mit einem Kameraplastikleder, welches sich an den Kanten löst, weil es nicht exakt verklebt worden ist. Die Oberflächen der Druckgußteile sind schön strukturiert und könnten auch zu einer preiswerten westlichen oder japanischen Spiegelreflexkamera der End-Siebziger passen. Das gilt auch für die Beschriftungen im Siebdruckverfahren. Sie sind exakt plaziert und schön kräftig gedruckt. Der angeschraubte Handgriff sieht wie eine später zum Design hinzugefügte Notlösung aus, was aber auf Handgriffe an einigen Kameras aus dieser Epoche ebenfalls zutrifft.

Maschinenbau ist auch die Assoziation beim Verschluß. Ein Zeitenbereich von einer halben bis zu einer 1/500 Sekunde stellt keinesfalls die Spitze der damaligen Technologien und Möglichkeiten dar. Das Zeitenrad an der linken Vorderseite der Kamera ist entweder eine genial durchoptimierte Konstruktion in Form einer wartungsfreundlichen Verschlußeinheit, oder es handelt sich um eine Kompromißlösung, weil man es nicht besser konnte. Darauf deutet die 1/500 Sekunde als kürzeste Zeit hin. Der vollständig mechanische Schlitzverschluß erledigt jedenfalls seine Aufgabe mit einer entsprechenden „kernigen" Geräuschkulisse. Ob die Zeiten genau einhalten werden, habe ich mir nicht angesehen, sie laufen aber alle unterschiedlich schnell ab. Die Erneuerung des Spiegelanschlagdämpfers verbessert die Geräuschkulisse ein klein wenig. Die krümeligen Reste der Erstausstattung habe ich durch ein gefühlsmäßig ähnlich geformtes Schaumstoffstückchen ersetzt, weil der Spiegel sonst wirklich stark scheppert. Eine Kleinigkeit, welche der Kiev-19M zumindest zu einer akustischen Verbesserung verhilft.

Jetzt darf ich sarkastisch werden wenn ich behaupte, die Belichtungsmessung dieser Kamera sei ein Quell ewiger Freude. Die Kiev-19M besitzt einen TTL-Belichtungsmesser inklusive einer Offenblendenmessung entsprechend dem Nikon-Ai-System. Damals war das ein aktueller Stand und theoretisch funktioniert die Messung auch, nur in der Praxis leidet der Komfort auf Grund mehrerer Kleinigkeiten. Das Meßsystem ist super simpel. Es besteht aus einer CdS-Zelle, die laut Bedienungsanleitung(!) bereits im Neuzustand träge gewesen ist und im Lauf der Zeit weiter an Reaktionsfähigkeit verloren hat. Der Blendenmitnehmer steuert die Eingabe der eingestellten Blende so wie es aussieht über eine Schleifbahn eines verstellbaren Widerstands. Auch da vermute ich gealterte Bauteile, welche die Trägheit erhöhen und die Genauigkeit reduzieren. Ein letzter Punkt ist die karge Sucheranzeige. Zwei Leuchtdioden müssen für den Abgleich der richtigen Belichtung reichen. Die LEDs sieht man bei einer hellen Szene schlecht, was noch das geringere Übel wäre. Die Trägheit der CdS-Zelle in Verbindung mit nur zwei Anzeigeelementen macht den Belichtungsabgleich zu einer Geduldsprobe bei der man ständig am Blendenring hin und her dreht, ohne dass man die zwei LEDs zum konstant gleichmäßigen Aufleuchten bringen kann. Hat man einmal einen Belichtungsabgleich erreicht, ist die Genauigkeit der Messung bei normalen Lichtverhältnissen ausreichend. Vom Sollwert weichen die Anzeigen des Kiev-19M-Belichtungsmessers bei Tageslicht bis zu einer Blende in Richtung Über- und Unterbelichtung ab, je nachdem wie die Kamera gerade aufgelegt ist. Beim Negativfilm liegen die Abweichungen gerade noch im Belichtungsspielraum, nicht jedoch bei Diafilm. Bei wenig Licht ist ein Belichtungsabgleich unmöglich. Die alte Meßzelle wird bei geringer Helligkeit praktisch blind und für Available-Light ist der TTL-Belichtungsmesser komplett unbrauchbar.

Das Objektivbajonett entspricht mechanisch und messtechnisch dem Nikon-Ai-Standard. Einige meiner zugegeben toleranzbehafteten Messungen haben ergeben, dass bei der vorliegenden Kamera auch das Auflagemaß eingehalten wird. Weil ich keinen Kollimator besitze und um die Messtoleranz zu minimieren habe ich zehn Messungen mit einem Messschieber durchgeführt und als Mittelwert die angestrebten 46,5mm von Filmebene bis Objektivbajonett erhalten. Das ist bei dieser Kamera fummelig, weil eine Markierung für die Filmebene am Gehäuse unter dem Transporthebel und hinter dem Auslöser liegt. Meine Messungen habe ich mit einem Test gegengeprüft. Mit einem voll geöffnetem Nikon 50mm/1.4 und einer abfotografierten Zeitungsseite war das Ergebnis ein scharfes Negativ und mit allen Objektiven erreicht man auch die unendlich Einstellung. Gemessen wurde über eine Distanz von 1.100 Metern mit dem Arsat 50mm/2.0, dem AiS-Nikkor 50mm/1.4 und dem AiS-Nikkor 105mm/2.5. Bei der mir vorliegenden Kiev-19M kann man die Objektive leicht ansetzen und wieder abnehmen. Besonderer Kraftaufwand ist dabei nicht erforderlich. Nach einer gründlichen Reinigung mit Isopropanol und Behandlung mit PTFE-Schmiere reibt und kratzt das Bajonett auch nicht (mehr). Es ist möglich das Arsat-Objektiv an meinen Nikon-Ai-Kameras - aber nicht an den AiS-Modellen - und die zwei vorhin genannten Ai/AiS-Nikkore an der Kiev-19M zu verwenden. Da ist eine volle Kompatibilität gegeben. Wie das bei anderen Objektiven aussieht, habe ich nicht getestet, ich gehe aber davon aus, dass sie wechselweise passen.
Das Arsat-H 50mm/2.0 ist die späte Version des MC Helios-81H, welches optisch eine Kopie des Carl Zeiss Jena Biotar, einem grundsoliden Planar-Typ, ist. Die Fertigungsqualität überzeugt, denn es besteht großteils aus Glas und Metall, die Entfernung läßt sich schön geschmeidig einstellen und der in halben Stufen rastende Blendenring kratzt nicht. Der Filteranschluß ist ein M52x0.75 Gewinde, wie man das auch von vielen Nikon-Objektiven kennt. Das Linsensystem ist mehrschichtvergütet, erkennbar durch einen leichten grünlichen und rötlichen Schimmer auf der Frontlinse. Die Anfangslichtstärke f2.0 wird bei diesem und ähnlichen Objektiven sehr oft als lichtschwach reklamiert. Das stimmt nur bedingt und hat den Vorteil, dass das Obektiv bereits bei offener Blende ausreichend scharf ist und einige Probleme lichtstärkerer Normalobjektive nicht kennt. Kontrastminderung und leicht unscharfe Bildränder bei offener Blende sind - typisch für einen Planar-Typ - vorhanden, aber weniger stark ausgeprägt als bei Objektiven mit Lichtstärke f1.4 oder f1.8. Uneingeschränkt brauchbar ist das Arsat-H 50mm/2.0 ab Blende 2.8. Die Bildschärfe und der Kontrast bewegen sich da bereits auf einem guten Niveau. Die beste Leistung bringt dieses Objektiv bei Blende 5.6, wo die Bildschärfe am Größten ist. Weiter abblenden bringt kaum mehr Leistung. Gegen- und Seitenlicht mag das Arsat-H 50mm nicht und es treten je nach Lichteinfall Überstrahlungen und seltener leichte Farbflecken auf. Eine Streulichtblende ist beim Arsat-H kein Luxus.

Was das Zubehör betrifft sind die paar in Frage kommenden Teile der Kiev-19M mit jenen des FE/FM-Systems von Nikon austauschbar. Das Okularglas und die Dioptrienkorrekturlinsen sowie die DK-19 Gummi-Augenmuschel sind wechselseitig verwendbar, das Kunststoffröhrchen für vier SR44-Knopfzellen kann man in der Nikkormat EL bzw. Nikon EL2 zur Optimierung der Energieversorgung einsetzen und die BS-1-Plastikkappe zur Abdeckung des Blitz-Mittenkontaktes auf jeder Nikon, die einen solchen eingebaut hat. Die Gegenlichtblende HN-7 ist für das Nikkor 50mm/1.4 und gleichermaßen für das Arsat-H 50mm/2.0 geeignet.

Jetzt folgt die kurze Geschichte meiner Kiev-19M. Angeboten wurde die Kamera als neuwertig und der Verkäufer hat da nicht einmal geschwindelt. Das Objektiv und die Kamera waren blitzsauber und sehr gepflegt. Außen und im Inneren der Kamera sind keine Spuren feststellbar gewesen, die auf eine auch nur geringe Nutzung haben schließen lassen. Weder an der Filmandruckplatte, noch an einem anderen Teil der Filmführung hat es Spuren gegeben, ob da Filme durchgezogen worden sind. Diese Kiev-19M hat tatsächlich ungebraucht ausgesehen und sie hat funktioniert. Drei Filme lang habe ich mich über die Kiev-19M gefreut, denn die grobschlächtige Mechanik hat getan, was von ihr verlangt wurde und die Leistung war - bis auf den Belichtungsmesser - zufriedenstellend. Mitten in Film Nummer vier ist die Transportmechanik stecken geblieben. Die Kiev-19M hat ein Problem mit der Spiegel- oder Transportmechanik entwickelt und die Kamera blockiert mitten in einem Transportschritt. Wenn man mit der Kamera vorsichtig auf einen Tisch klopft, am Rad für die Belichtungszeiten dreht und lange genug am Transporthebel rüttelt, löst sich irgendwann die Blockade der Mechanik und man kann die Kamera wieder für einige wenige Aufnahmen verwenden. Zuverlässig ist das nicht und der Fehler macht meine Kiev 19M zum Vitrinenstück. Wieder ein Unterschied zu einer Nikon FM/FE. Dort ist die Mechanik auf ungefähr 3.000 Filmrollen ausgelegt, bei der Kiev-19M, wenn man das zynisch betrachtet, scheinbar nur auf ganze drei Rollen. Eine so magere Ausbeute an Filmen ist enttäuschend und frustrierend, aber bei diesem Modell offenbar eher die Regel als die Ausnahme, wenn man im Internet über die mangelnde Standfestigkeit dieser Modellreihe nachliest. Oder ich habe mit dieser speziellen Kamera einfach nur Pech gehabt. Das war es dann auch mit der Sowjet-Nikon, denn eine weitere Kiev19M wird sich nicht in meine Kamerasammlung verirren - eigentlich schade.

Das Design der Kiev 19M kann seinen Ursprung in den späten 1970ern nicht verleugnen. Die Kamera ist aber ansprechend verarbeitet und bietet das Minimum an Bedienelementen.
Die Filmempfindlichkeit kann bei der Kiev 19M zwischen ISO 25 und ISO 3200 eingestellt werden. Bei ISO 400 liegt die Genauigkeit der Messung im Bereich von +/- einer Blende rund um den Echtwert. Die 4LR44- oder 4SR44-Batterie braucht man nur für den Belichtungsmesser. Wie man sieht reicht auch ein Pappröllchen mit vier eingesteckten SR44-Knopfzellen.
And now for something completely different: Ende der 2010er-Jahre haben umtriebige Geschäftemacher der inzwischen insolventen Net SE in Koblenz den Versuch unternommen die Marke Ihagee in Form einer ELBAFLEX-Spiegelreflexkamera wiederzubeleben. Ihagee war bekanntlich der erste Hersteller, der eine 35mm-Spiegelreflex moderner Auslegung in Serie gebaut hat. Das war ungefähr 1936 und sowohl Ihagee als Produzent als auch Elbaflex als Marke sind seit Jahrzehnten Geschichte. Die guten Namen wollte man also noch einmal ausschlachten und mittels Kickstarter-Projekt eine neue Ihagee ELBAFLEX auflegen. So um das Jahr 2017 hat man mächtigen Wirbel um das Projekt gemacht. Das sollte eine exklusive, qualitativ hochwertige Kamera werden an der man Objektive mit dem Nikon F-Bajonett verwenden konnte. Wahlweise war auch ein M42-Schraubgewinde als zweite Variante angedacht. Viele Freunde der Fotografie mit Film haben das Projekt mit Interesse verfolgt. Jedenfalls so lange, bis man die ersten Preisvorstellungen gehört hat. Die Kamera sollte mit einem Trioplan 50mm/2.8 (Dreilinser) üppige 1.500 Euro kosten. Da war die Begeisterung schon weniger groß. Die minimale Ausstattungsliste ohne jeden Belichtungsmesser hat das Interesse dann weiter schwinden lassen. Und als man dann die ersten Produktabbildungen gesehen hat, war es endgültig aus mit der Euphorie. Zum Glück ist das Etikettenengeneering durchschaut worden. Der Kickstarter-Screenshot erklärt warum. Werfen Sie einen genaueren Blick auf die Kamera und klicken Sie auf das Bild für mehr Details.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fazit: High-End-High-Tech war diese Kamera schon in den Achtzigern nicht mehr. Die Kiev-19M erscheint zwar wie eine Nikon-Systemkamera, sie teilt sich aber nur den Ai-Objektivanschluß mit den Nikon-Modellen ihrer Epoche. Technisch gesehen ist das eine Kamera, die man als rustikal bezeichnen muss und zum TTL-Belichtungsmesser fällt mir nur „hart aber herzlich" ein, weil man schon eine gewisse Härte oder besser Unbeugsamkeit haben muss, um die Bedienung der Nachführmessung auszuhalten. Mitunter muss man ob der angezeigten erratischen Belichtungswerte auch herzlich lachen. An eine Nikon kommt die Kiev-19M in keiner Disziplin heran. Sie ist auch kein preisgünstiges Ersatz- oder Zweitgehäuse als Ergänzung einer Nikon Ausrüstung. So hat in den 1990er-Jahren ein Fotoversand aus Weiden in der Oberpfalz die Kiev-19 oder 19M im Katalog angepriesen. Meiner neuwertigen Kiev-19M war leider kein langes Leben beschieden, aber für den Fall, dass eine Kamera aus dieser Modellreihe einwandfrei funktioniert, ist sie ein brauchbares Aufnahmegerät, wenn man ihre Eigenheiten akzeptieren lernt. Kaufempfehlung gibt es für die Kiev 19M aber keine. Das Arsat 50mm/2.0 ist mir im Lauf der Zeit immer sympathischer geworden und meine Alternative zu einem MF-Nikkor. Es ist robust gebaut und entspricht in der Abbildungsleistung einem üblichen Planar-Typ im guten wie im schlechten Sinn.

Der Materialmix besteht aus Kunststoff sowie Metall und ist in ähnlicher Form auch in Kameras anderer Hersteller zu finden. Seltsam finde ich die mit Grafitstift angebrachte Seriennummer. Vielleicht hatte man damals gerade keine Folienetiketten zur Hand oder die Nummernstanze war defekt. Bild unten: verschiedene Aufdrucke auf Kameras für den Inlandsmarkt und den sogenannten Export-Modellen.
Pro:
- Nikon-Ai-kompatibel
- sehr gutes Arsat-H 50mm/2.0


Kontra:
- Belichtungsmessung ungenügend
- bestenfalls durchschnittliche Produktqualität

Modell

Baujahre

Objektiv

Ausstattung

Verschluss

Kiev 17

1975 – 1983/84

Nikon F Bajonett

Kein Belichtungsmesser

1/1000 Sekunde Verschlusszeit

Kiev 17M

1979 - ?

Nikon F Bajonett

Belichtungsmesser, Arbeitsblendenmessung

1/1000 Sekunde Verschlusszeit

Kiev 18

1978 – 1993

Nikon F Bajonett

Belichtungsmesser, Arbeitsblendenmessung

1/1000 Sekunde Verschlusszeit

Kiev 19

1984 – 1994/95

Nikon F Bajonett

Belichtungsmesser, Arbeitsblendenmessung

1/500 Sekunde Verschlusszeit

Kiev 19M         Mirage 19M*                   *(für Export Südamerika)

1988 – 1994/95 oder bis 2000?

Nikon Ai Bajonett

Belichtungsmesser, Ai Offenblendenmessung

1/500 Sekunde Verschlusszeit

Kiev 20

1978-1986

Nikon Ai Bajonett

Belichtungsmesser, Ai Offenblendenmessung

1/1000 Sekunde Verschlusszeit

Weitwinkel

MC ZENITAR H

16mm/f2.8

Weitwinkel

MC MIR-20H

20mm/f3.5

Weitwinkel

CPC CCT H MC

28mm/f2.8

Weitwinkel

MC MIR-24H

35mm/f2.0

Weitwinkel

MC MIR-67

35mm/f2.8

Weitwinkel

PCS ARSAT H / PCS ARAX (Shiftobjektiv)

35mm/f2.8

Weitwinkel

MIR-1A

37mm/f2.8

Standard

MC VOLNAR-4

53mm/f1.4

Standard

HELIOS-81M

53mm/f2.0

Standard

ARSAT H

50mm/f1.4

Standard

HELIOS-81H / ARSAT-H

50mm/f2.0

Standard

ARSAT H 50TS (Shiftobjektiv, [Eigenbau?])

50mm/f2.0

Zoom

MC YANTAR-14H

28-85mm/f2.8-4.0

Zoom

MC YANTAR-20H

35-200mm/f3.5-4.5

Zoom

GRANIT-11H / ARSAT-H

80-200mm/f4.5

Tele

MC KALEINAR-5H / ARSAT H / VEGA 13-A

100mm/f2.8

Tele

TELEAR-H / JUPITER-21A

200mm/f4.0

Tele

ARSAT H / MC Яшма-4 (MC JASPIS-4)

300mm/f2.8

Tele

APO ARSAT H

300mm/f2.8

Tele

3M-5SA (Spiegeltele)

500mm/f8.0

Im vorigen Absatz habe ich erwähnt, dass das Objektiv nicht für AiS-Kameras geeignet ist. Das habe ich herausgefunden, als ich das hier präsentierte Arsat-H 50mm an meiner Nikon FA ansetzen wollte. Wie bei Exoten üblich, habe ich vorher visuell überprüft, ob das möglich ist. Dabei habe ich bemerkt, dass das Arsat-Bajonett etwas abweichend vom Nikon-Standard ausgeführt ist. Die Schrauben zur Verbindung des Bajonetts mit dem Objektivsockel sind näher am Innenrand des Bajonetts positioniert als das bei den original Nikon-Optiken der Fall ist. Zusätzlich sind Schlitzschrauben verwendet worden, deren Kopf etwas versenkt in der Bajonettgleitbahn liegt, was erwünscht und logisch ist. Bei einem AiS-Gehäuse wird aber so ein Objektiv zum Killer, denn die im Bild links rot markierte Schraube kommt bei dieser Konstruktion dem Stift für die AiS-Erkennung in die Quere. Wird das Objektiv an eine AiS-Nikon angesetzt, schnappt der AiS-Stift in die Vertiefung mit der Schraube ein und wirkt wie ein Sperrstift. In so einem Fall kann das Objektiv möglicherweise nicht korrekt an der Kamera ausgerichtet werden. Viel schlimmer wird aber sein, dass es nicht mehr abgenommen werden kann und die Kamera zum Fall für den Mechaniker wird. Mir ist diese Falle glücklicherweise bei einer Inspektion aufgefallen, bevor ich das Arsat-H 50mm/2.0 an meine Nikon FA angesetzt und die Kamera geschrottet habe.

Die hier geschilderte Problematik gibt es nur bei Nikon Kameras, welche kameraseitig mit dem Stift für die AiS-Erkennung ausgestattet sind. Das sind die Nikon FA, die Nikon F-301, die Nikon F-501 und die Nikon F4. Bei mir ist sie nur mit dem Arsat 50mm/2.0 akut, weil ich keine anderen Objektive zur "Kiev-Nikon-Kameraserie" besitze. Bei den in der Objektivliste weiter oben angeführten Optiken wäre ich sehr vorsichtig und würde akribisch prüfen, wie es um die AiS-Kompatibilität bestellt ist. Bei den Nikon Spiegelreflexkameras ohne den AiS-Erkennungsstift kann das Arsat-H 50mm/2.0 sowie die oben gelisteten Objektive wie vorgesehen verwendet werden.