Nikon-Ai/AiS - Teil 14: Die Nikon FG-20
Die Nikon FG-20 wurde im Jahr 1984 auf den Markt gebracht und sollte eine kompakte und leichte Einsteigerkamera mit einem nicht zu großen Preisetikett werden. Zu dieser Zeit war Nikon durch Entwicklungen anderer Kamerahersteller, vor allem Pentax mit Modellen wie der Super A, Olympus mit dem OM-System oder Canon mit der A-Serie, hinsichtlich Größe, Gewicht und Ausstattung einiger Spiegelreflexmodelle ins Hintertreffen geraten. Vor allem bei den sogenannten Einsteigerkameras lag man mit der Nikon EM und deren spartanischer Ausstattung nicht mehr gut im Rennen. Mit der Nikon FG und deren Nachfolgemodell FG-20 sollte der Rückstand bei Spiegelreflexkameras im unteren Preissegment aufgeholt werden. Mit beiden Modellen ist das dem Hersteller gelungen, bloß die echten Nikon-Enthusiasten wollten weder die eine noch die andere Kamera haben. Provokant formuliert waren damals Amateurmodelle nichts für wahre „Nikonisten". Kameras, vor allem mit einem Nikon-Logo versehene, mit einem Gewicht von weniger als einem Kilogramm waren in der ersten Hälfte der 1980er nichts für richtige Männer und auch nichts für richtige Profi-Fotografinnen. Ein Nikon-Gehäuse hatte damals stabil und langlebig zu sein. Etwas Leichtes würde man sich erst gar nicht ansehen, lautete die gängige Meinung, denn ausschließlich Massivbauweise war bei der Nikon-Kundschaft gefragt. Der durchschnittliche mit Nikon oder Canon ausgestattete Profi- und Amateurfotograf hat sich damals bekanntlich fast ausnahmslos mit Aufnahmen in besonders exponierten Gegenden beschäftigt und nur das Robusteste an Kamera gebraucht. Naiv wie ich war habe ich damals auch so gedacht und die Nikon FG beziehungsweise die FG-20 nicht wahrgenommen. Heute sehe ich das anders.

Meine hier vorgestellte Nikon FG-20 ist das etwas seltenere schwarze Modell. Sie wurde als ungebraucht angeboten, war auf einer Verkaufsplattform eingestellt und bei einem Preis im mittleren zweistelligen Eurobereich bin ich mit dem Verkäufer schnell einig geworden. Bis auf zerbröselte Lichtdichtungen an der Kamerarückwand ist diese FG-20 wirklich neu und so weit ich das beurteilen kann, wurde in diesem Gehäuse weniger als eine Hand voll Filme belichtet. Die aufgelösten Lichtdichtungen habe ich provisorisch mit einem in Streifenform zurechtgeschnittenen Stück selbstklebenden Velours (d-c-fix Folie) repariert, weil der Moosgummi-Matsch der komplett verrotteten Lichtdichtungen die Kamera verdreckt hat. Für die Schlamm-Entfernung inklusive intensiver Innenreinigung der Kamera und dem Einbau der Filzdichtungen und eines neuen Spiegelanschlagdämpfers habe ich mir zwei Stunden Zeit genommen und gemütlich gearbeitet. Dann klappt die Sache auch ohne verdreckte Einstellscheibe und verdreckte Verschlußlamellen. Jetzt werde ich abwarten, wie lange mein Provisorium hält. Derzeit ist aber alles auch bei hellstem Sonnenschein lichtdicht.
Die Grafik links zeigt die Sucheranzeigen der Nikon FG-20 (links) und der Nikon FE. Während die Fotografen bei der FG-20 mit einem gewissen Minimalismus leben müssen, ist der Belichtungsabgleich in der manuellen Betriebsart bei der FE - und den anderen Modellen der FE/FM-Serie - wesentlich bequemer und übersichtlicher. Der grüne Balken zeigt an, um wie viele Zeitstufen die eingestellte von der gemessenen Belichtungszeit abweicht. Bei der Nikon FG-20 gibt es nur ein mickriges rotes M als Hinweis auf den manuellen Modus.

Bild rechts: Mit einem "Trick 17" ist man auch bei der Nikon FG-20 in der Zeitautomatik nicht von der mickrigen Gegenlichttaste abhängig. Am Beispiel eines Films mit ISO 400 ist das hier erklärt: ISO 400 ist die Nennempfindlichkeit für normale Lichtverhältnisse (0). Möchte man in der Zeitautomatik Gegenlicht um eine Blende (+1) korrigieren, stellt man auf ISO 200 und bei zwei Blenden (+2) stellt man einfach auf ISO 100 ein. Man sollte nur nicht vergessen die Empfindlichkeit nach der Gegenlichtaufnahme wieder auf ISO 400 zu setzen. Sonst droht Überbelichtung.
Die Fotostrecke zeigt alle Bedienelemente der Nikon FG-20. Damit sollte jeder, der sich auch nur ansatzweise mit Fotografie beschäftigt zurecht kommen. Wie ein Vorlaufwerk/Selbstauslöser und eine Gegenlichttaste funktionieren kann man heute ohne Bedienungsanleitung ganz schnell im Internet nachschauen. Der klappbare Schnellschalthebel ist, genau wie das im Bereich Bildzählwerk abgeschrägte Gehäuse ein nettes Design-Feature. Der fehlende Hauptschalter ist meiner Meinung nach mühsam, weil man immer auf [B] oder [M90] einstellen muss, um die Kamera auszuschalten.
Im direkten Vergleich mit der Nikon F90 sieht man, wie kompakt die Nikon FG-20 ist. Ideal für alle Gelegenheiten, wo eine kleine, leichte und leistungsfähige Spiegelreflexkamera gewünscht wird.
Sinnvolles Zubehör: Die Augenmuschel DK-21 gehört für mich zur Nikon FG-20  dazu, auch wenn sie nicht für diese Kamera vorgesehen ist. Bei Brillenträgern hilft sie verkratzte Brillengläser zu vermeiden. Nützlich ist sie auch, weil sie die Rückwand gegen unbeabsichtigtes Öfnnen verriegelt. Man muss die DK-21 ein paar Millimeter nach oben schieben um die Sperre aufzuheben.
Pro:

- preiswert
- klein und leicht
- fast alle Ai-, AiS-, AF- und AF-D-Objektive verwendbar
- noch immer modernes und einfaches Bedienkonzept
- übersichtlicher Sucher
- problemlose Stromversorgung mit 2 Stück SR44
- hochwertiger Materialmix aus Metall und Kunststoff

 

Kontra:

- Hauptschalter fehlt
- keine TTL-Blitzmessung (verschmerzbar)
- Abblendtaste fehlt (verschmerzbar)

Was an der FG-20 sofort auffällt: Sie ist zierlich und mit einer Festbrennweite auffallend leicht. Meinen Recherchen zufolge ist die FG-20 gemeinsam mit der Nikon EM, mit der sie sich die Gehäusebasis teilt, die kleinste und leichteste Nikon-Ai-Spiegelreflexkamera. Daraus folgt, dass zumindest die Deckkappe und die Bodenplatte aus Kunststoff, vermutlich Polycarbonat, gefertigt sind. So viel ich feststellen konnte ist das Grundgerüst der Nikon FG-20 abweichend von so mancher Behauptung im Internet aus Metall. Die bewährte Metallausführung findet man auch beim Objektivbajonett vor. Ob der Bajonettring aus Edelstahl oder hartverchromtem Messing besteht, ist mir nicht bekannt und das ist auch gar nicht wichtig. Auf jeden Fall hat Nikon in diesem Punkt nicht gespart, vielleicht waren Kunststoffbajonette zu dieser Zeit angedacht, tatsächlich sind sie erst ab Ende der 1990er verbaut worden.

Überall wird moniert, was der Nikon FG-20 an Ausstattung fehlt, dabei ist die Liste durchaus komplett und entspricht jener der älteren Nikon FE, bei der niemand über fehlende Features gejammert hat. Die Belichtung regelt man manuell oder mittels Zeitautomatik. Bei der Zeitautomatik kann man Gegenlicht auf Tastendruck oder über die Filmempfindlichkeit kompensieren. Ein Vorlaufwerk - auch bekannt als Selbstauslöser - ist ein nützliches, aber nicht oft gebrauchtes Detail, ebenso wie der Drahtauslöseranschluß. Es gibt einen Sucher mit immerhin 92% Abdeckung und einer hellen Mattscheibe vom Typ K samt Mikroprismenring und Schnittbildindikator. Ein Zeigermeßwerk entsprechend der Nikon FE würde den manuellen Belichtungsabgleich einfach machen, nur hat man den grünen zeigerförmigen Balken für die manuell gewählte Zeit weggelassen. Das System zeigt mit einem schwarzen Zeiger nur die von der Kamera vorgeschlagene Belichtungszeit an und links neben der Zeitenskala ein rotes leuchtendes M für manuellen Modus. Die manuell gewählte Zeit muss man sich merken, denn der zweite Zeiger samt seiner Mechanik war bei der Konstruktion der FG-20 kalkulatorisch offenbar nicht mehr unterzubringen. Eine TTL-Blitzmessung war für die FG-20 auch zu teuer und so gibt es mit einigen Nikon-Blitzgeräten gerade eine Blitzbereitschaftsanzeige im Sucher. Nicht gespart wurde hingegen bei der Belichtungsmessung mit der Gewichtung 60% in der Bildmitte und 40% im Rest des Bildfeldes. Gemessen wird mit modernen Silizium-Zellen. Ein Copal-Metalllamellen-Parallelkurbel-Verschluss schafft Kurzzeiten bis zu 1/1000 Sekunde, wobei Verschluss und Belichtungsmessung im Langzeitbereich wesentlich längere Zeiten genau bestimmen und bilden können, als das mit einer Sekunde in der Bedienungsanleitung angegeben wird. Die Stromversorgung mit zwei Stück SR44-Batterien versorgt die Kamera für etwa ein Jahr mit Energie, was eine preiswerte und leicht verfügbare Energiequelle darstellt. Sind die Batterien leer gibt es eine mechanische Zeit von 1/90 Sekunde für Sunny-16-Belichtung, aber bitte wer braucht das heute noch? SR44-Batterien sind extrem lange lagerfähig und kosten nicht viel, da kann man immer Ersatzbatterien dabei haben. Einen Motorantrieb MD-14 zur besseren Filmverschwendung könnte man an der FG-20 andocken. Das sollte früher professionell aussehen und macht die Kamera klobiger. Ein fehlendes Detail ist die nicht vorhandene Abblendtaste. Im angepeilten Käufersegment war so etwas scheinbar nicht besonders gefragt und man hat die Taste weggelassen. Auch damit konnte man Teile, Montagezeit und damit Kosten sparen.
Was die Objektive betrifft, ist die Nikon FG-20 eine echte Ai-Kamera und sehr anpassungsfähig. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind alle Ai-, AiS-, AF- und AF-D-Objektive verwendbar, natürlich sind auch Series-E- und auf den Ai-Standard umgerüstete Objektive eingeschlossen. Ältere Objektive aus der Zeit vor Ai/AiS sind nicht nutzbar ebenso alle Objektive nach der AF-D-Ära, wie AF-S- oder AF-P-Ausführungen. Als Anwender hat man genügend Auswahl, denn die in Frage kommenden Objektive wurden zu Hunderttausenden produziert. Das Angebot ist groß und reicht vom einfachen 50mm-Series-E-Objektiv bis zu Spezialitäten wie den Defocus-Nikkoren. Keine Ahnung, welches Objektiv? Für Anfänger wäre vielleicht eine 35mm- oder 28mm-Festbrennweite mit durchschnittlicher Lichtstärke f2.8 oder f3.5 eine Empfehlung. Diese Objektive gibt es in großen Stückzahlen, sie sind relativ preiswert und passen gut zur Nikon FG-20. Wer es absolut „Eighties" und original mag, kann sich auch ein 28-50mm-Nikkor suchen. Dieses Objektiv stammt genau aus dem Herstellungszeitraum der Nikon FG-20, ist aber nicht leicht zu finden und kostet daher fast immer mehr als eine Festbrennweite. Original ist auch das manuelle 35-70mm/3.3-4.5-Nikkor. Optische Details zu diesem Objektiv beziehungsweise seinen Abwandlungen findet man im sechsten Teil dieser Serie bei der Nikon F-501. Das 35-70mm ist das Set-Objektiv zur Nikon FG-20 aus den 80ern, nur ist es für mich wegen der 35mm als kürzeste Brennweite weniger attraktiv. Es hat aber den unbestreitbaren Vorteil sehr gut und sehr günstig zu sein. Minimales Volumen erreicht man mit der Kombination Nikon FG-20 plus Ai-Nikkor 20mm/4.0. Allerdings ist ein 20mm-Superweitwinkel kein Allroundobjektiv, aber kompakter geht es nicht.

Fotografisch gesehen unterscheidet sich die FG-20 nur durch weniger Komfort von den anderen Nikon-Kameras ihrer Zeit. Die Belichtungsmessung ist genau und berechenbar. Die Einstellscheibe ist hell genug für Objektive mit einer Anfangslichtstärke von f4.0. Da kann man bei hellem Umgebungslicht noch gut Scharfeinstellen, in der Dämmerung wird's dann schon unbequemer und schwieriger die Schärfe genau zu bestimmen. Das bereits angesprochene Zeigerinstrument ist informativ und in Ordnung, die rote LED-Anzeige für manuelle Belichtungssteuerung eher eine Minimallösung, aber bei einem preiswerten Kameramodell von 1984 musste man so etwas hinnehmen. Insgesamt ist die Nikon FG-20 eine durchdachte Kamera mit heute noch einem hohen Gebrauchswert. Einziger Schwachpunkt ist für mich der fehlende Hauptschalter. Die FG-20 ist immer eingeschaltet solange das Einstellrad nicht in die Position M90 oder B gedreht wird. Im Normalbetrieb führt das dazu, dass das Messwerk aktiviert oder die Kamera ausgelöst wird, wenn ein Druck auf den Auslöser erfolgt. Das kann absichtlich sein, wenn man fotografiert oder aber auch unabsichtlich in der Fototasche.
An der Nikon FG-gefällt mir die reduzierte Größe, das geringe Gewicht und dass sie sich nicht wie eine Preiswertkamera anfühlt. Trennt man Kameragehäuse und Objektiv, kann man beide Teile in jeweils einer Jackentasche verstauen. Beim Transport fällt die Kamera dann kaum auf. Mit einer kompakten Festbrennweite passt die FG-20 in so manche Tasche für Kompaktkameras, was zum Beispiel auf einer Städtereise ein Vorteil ist. Das Design der Kamera wird gemeinhin als häßlich eingestuft, eine Meinung, welche ich nicht teile. Die Nikon FG-20 ist weder schöner noch unattraktiver als jede andere 1980er-Spiegelreflex. So haben Kameras damals ausgesehen und dem Hersteller sollte man zugute halten, dass er mit der Abschrägung an der rechten Kameraseite beim Bildzählwerk sogar den zaghaften Versuch einer modernen Gestaltung unternommen hat.

Ohne die FG-20 schlecht machen zu wollen hatte ein Kameramodell am unteren Ende der Preisskala auch in den 1980er-Jahren seine qualitativen Kompromisse. Die FG-20 mit einer Kamera aus der massiv gebauten FM/FE-Serie zu vergleichen ist nicht zielführend. Die Nikon FG-20 war für gelegentlichen Einsatz gebaut. Für die berufliche Verwendung hätte ich mir die FG-20 damals nicht gekauft, obwohl ich ein paar Jahre später die F-301, ebenfalls ein sogenanntes Amateurmodell,  beruflich genutzt habe. Legt man diese Erfahrung mit einer Nikon-Amateurkamera auf den Kameraeinsatz heute um, dann wird eine Nikon FG-20 die paar verschossenen Filmrollen pro Jahr schon aushalten. Die Kamera ist robust genug für alle durchschnittlichen Outdoor-Aktivitäten, bei denen man keinen Metallklotz á la Nikon F2 oder Nikkormat FT3 zu schleppen bereit ist.

Alternativen zur Nikon FG-20 gibt es von Nikon wenige. Die F-301 und die F-501 kommen in Frage, die Nikon EM ist zu simpel, für die Nikon FG wird mehr Geld verlangt und eine FE10 ist auch kein Ersatz. Die FE10 war ab dem Jahr 1997 im Verkaufsprogramm und sieht auf den ersten Blick wie eine Weiterentwicklung ähnlich zur FG-20 aus. Beschränkt auf eine Basisausstattung ohne Autofokus und ohne einen automatischen Filmtransport gibt die Kamera vor eine Nikon zu sein, war aber eine Auftragsfertigung auf Basis der Cosina CT-1. Die Anmutung und die Materialqualität unterscheiden sich von den üblichen Erwartungen, welche man an eine Nikon Kamera stellt. Da ist man mit der Nikon FG-20 viel besser dran.

Fazit: Eine Nikon FG-20 ist eine vollwertige Spiegelreflexkamera ohne Einschränkungen. Mit der Zeitautomatik nach Blendenvorwahl gibt es einen gewissen Komfort beim Fotografieren und die vollständig manuelle Einstellmöglichkeit von Zeit- und Blende läßt für bewußt gelegte Belichtung oder Experimente so viel Platz wie man braucht. Die fehlende TTL-Blitzsteuerung sehe ich heute entspannt, da ein Blitzgerät nicht mehr so wichtig wie früher ist. Was mir auch nicht fehlt ist die Programmautomatik der Nikon FG. Der größte Vorteil der Nikon FG-20 ist für mich ihre Größe. Sie ist so schön klein, dass man sie als Alternative zu einer Kompaktkamera in Betracht ziehen kann, vor allem, wenn man sich auf eine einzige Festbrennweite als Objektiv beschränkt. Bei mir ist das wegen dem geringen Gewicht ein AF-Nikkor 24mm/2.8. Nikon hat der FG-20 was die Objektivkompatibilität betrifft kaum Einschränkungen auferlegt. Fast alle Ai- und AiS-Objektive passen zu dieser Kamera. Als Einsteigermodell in das Nikon-System wurde die Nikon FG-20 ehemals am Markt plaziert, heute ist sie eine solide klassische Spiegelreflexkamera aus den 1980ern mit einer guten Mischung aus Größe, Ausstattung und Gewicht. Da fehlt nichts Wesentliches und man kann damit bequem fotografieren.

 

Zur Nikon FG-20 / Kodak TRI-X 400 Minigalerie