Die optimale analoge Nikon-Ai/AiS-Ausrüstung - Teil 9: Nikon New FM2 & FM2/T

Bisher habe ich alle Nikon FM-Kameras stiefmütterlich behandelt, denn eine FE, FE2, FA oder FM3a war für mich immer attraktiver als die spartanisch ausgestattete Nikon FM oder FM2. Das hat sich schnell geändert, denn eine new-old-stock Nikon FM2/T und kurz später eine ebensolche New FM2, vulgo FM2n, haben völlig unverhofft meinen Weg gekreuzt. Mit den beiden Kameras habe ich mich eine Weile beschäftigt und ihre Qualitäten schätzen lernen.

Von der Nikon FM2 gibt es zwei Normalausführungen, welche sich nur durch die Blitzsynchronzeit unterscheiden. Die ältere Variante FAA14001 blitzt laut Herstellerangaben mit maximal 1/125 beziehungsweise 1/200 Sekunde. Die Kameras waren immer so präzise, dass die Mutigen unter den Fotografen auch die 1/250 Sekunde für das Blitzen verwendet haben und das, wie man hört, ganz ohne Probleme. Das neuere als New FM2 oder FM2n bezeichnete Modell FAA14002 wurde ab 1984 ausgeliefert, durfte ganz offiziell mit einer kürzesten Zeit von 1/250 Sekunde blitzen und zusätzlich hat man der Kamera noch eine hellere Mattscheibe K2 spendiert. Als spezielle Version der FM2n wurde zwischen 1994 und 1997 die FM2/T mit Deckkappe und Bodenplatte aus Titanblech produziert. Dazu weiter unten mehr.

Die Bedienelemente einer Nikon FM2 oder FM2/T sind recht übersichtlich. Man kann nichts mehr weglassen und wer die fotografischen Basics versteht, kommt mit der Kamera sofort klar.

Bild unten: Der Schnellschaltthebel ist auch der Hauptschalter der Kamera, der kleine schwarze Schalter gehört für die Mehrfachbelichtungsfunktion und das Wählrad für die Belichtungszeiten wird gleichzeitig zum Einstellen der Filmempfindlichkeit verwendet. Alle Skalen sind ausreichend groß und gut ablesbar.
Die Nikon FM-Serie ist technisch der FE-Linie ähnlich, einen wesentlichen Unterschied zu allen Nikon FEs habe ich dann doch gefunden. Da geht es um die Filmtransportmechanik bei der FM2. Fünf spezielle Lager machen die Betätigung des Transporthebels und das Filmrückspulen mit der Kurbel so geschmeidig wie bei einer Nikon F2 oder der F3. Aus dem Repair Manual der Nikon Corporation geht für mich aber nicht klar hervor, ob alle FM2-Modelle diese Bauteile besitzen oder ob sich diese nur auf die FM2n und die davon abgeleitete FM2/T beschränkt.

Bei der Nikon FM2 gibt es zwei verschiedene Verschlusseinheiten, welche beide auf eine Lebensdauer von 2.800 Filmrollen oder etwa 100.000 Belichtungen ausgelegt worden sind. Bis zum Jahr 1989 wurde ein Titan-Verschluss mit Wabenstruktur eingebaut, danach glatte Lamellen aus einer Aluminiumlegierung. Der Titan-Verschluss sieht spektakulärer aus, aber der Alu-Lamellen-Verschluss stammt bereits aus der Typenreihe für die F-801 und F4. Unbestätigten Gerüchten zufolge ist er die weiterentwickelte Version und schafft in der F-801 beziehungsweise F4 immerhin 1/8000 Sekunde als kürzeste Zeit. Die Nikon FM2/T gibt es ausschließlich mit diesem Verschluss, da sie ab 1994 bis etwa 1997 ausgeliefert worden ist. Die normale FM2n mit Baujahr 1997 hat ebenfalls den neueren Verschluss, da er ab 1989 zum Standard in der FM2n geworden ist. Kürzeste Zeit ist auch hier trotz der Alu-Lamellen die 1/4000 Sekunde. Ob Titan oder Alu besser ist, wird kontrovers diskutiert. Bei der Nikon FM2/T und allen FM2n ab dem Baujahr 1989 interessiert uns das nicht weiter, weil es eben nur den Alu-Lamellen-Verschluss gibt.

Wenden wir uns den Objektiven zu. Die Nikon FM2 und FM2n sind echte Ai-Kameras und mangels klappbarem Blendensimulator können keine Nikkor-Objektive aus der vor-Ai-Zeit angeschraubt werden. Uneingeschränkt verwendbar sind alle Ai-, AiS-, AF- und AF-D-Nikkore, wobei bei Autofokus-Objektiven mit manueller Scharfeinstellung gearbeitet werden muss. Diese enorme Objektivauswahl sollte jeden anspruchsvollen Fotografen zufriedenstellen. Wer da noch immer kein passendes Objektiv findet, ist selber schuld und dem kann leider nicht geholfen werden. Meine derzeitige Minimalausrüstung besteht aus dem Nikkor 28mm/3.5 Ai der Baujahre 1977 bis 1981. Die Ausführung und Verarbeitung ist erstklassig und entspricht dem damals ziemlich teuren Nikkor 28mm/2.0 Ai. Das lichtschwächere Objektiv ist kompakter und hat ebenfalls eine tolle Abbildungsleistung, welche sich vor der lichtstärkeren Version nicht zu verstecken braucht. Als positiver Nebeneffekt ist es gebraucht um einiges preiswerter als die f2.0-Version. Zum Nikkor 28mm/3.5 Ai gibt es im zehnten Teil dieser Reihe einen ausführlichen Bericht.
Die Nikon FM-Serie ist fotografisch auf das Wesentliche reduziert. Filmempfindlichkeit, Belichtungszeit, Blende und Entfernung sind die vier Parameter mit denen man zu tun hat und über einen Nachführbelichtungsmesser bestehend aus drei roten LEDs stellt man die passende Belichtung ein. Fünf mögliche LED-Anzeigekombinationen machen den Abgleich von Zeit und Blende übersichtlich und einfach. Mit ganz wenig Übung geht das so schnell, dass man eine Automatik nur ganz selten vermisst. Die Grafik rechts zeigt die fünf Möglichkeiten, die leicht zu durchschauen sind. Gemessen wird mit zwei Silizium-Fotozellen integral über das gesamte Bildfeld und einer 60%-Gewichtung auf die Bildmitte. Das war vor der AMP-Matrixmessung bei Nikon ein Standard und das funktioniert bis heute noch hervorragend. Für alle Negativfilme ist das so genau, dass man keinen Ausschuss produziert.

Ein weiterer Vorteil der puristischen Nikon FM2: sie kennt kein Batterieproblem. Der Kameraverschluss läuft in allen Zeiten bis hin zur 1/4000 Sekunde rein mechanisch ab und für den Belichtungsmesser reicht es zwei Stück SR44-Knopfzellen einzulegen. Die Elektronik liefert im Bereich von 2,2 bis 3 Volt korrekte Messwerte und damit ist die Energieversorgung für mindestens ein Jahr und etliche Filme gesichert. Ist man gescheit, dann wirft man noch zwei Ersatz-SR44-Batterien in die Fototasche und braucht sich um den Strom für die Kamera ein paar weitere Jahre nicht zu kümmern.
Früher haben die Nikon FM2-Modelle nicht als für Profi-Fotografen geeignet gegolten, weil sie kein Suchersystem mit 100 Prozent Mattscheibenbild und keinen High-Eyepoint-Sucher haben. Nikons aus den FE- und FM-Serien haben aber immer und unter fast allen Umständen funktioniert und darauf konnte man sich als Fotograf verlassen. Kommerzielle Fotografen haben das sehr schnell herausgefunden und viele von ihnen waren so sonderbare Käuze, dass sie sich nicht darum geschert haben, ob ein Gerät für den Profi etikettiert war oder nicht. Einen möglichen Punkt zum Meckern für die echten Misanthropen gibt es aktuell dann doch: Die serienmäßige Mattscheibe vom Typ K2 ist von Haus aus nicht so superhell wie das heute möglich wäre. Mich stört das nicht, weil ich keine Objektive mit einer geringeren Lichtstärke als  1:4.0 besitze. Es gibt aber ein Upgrade in Form der Mattscheibe K3 aus der Nikon FM3a. Die ist superhell, sie passt auch in die FM2n und kostet weniger als einen Fünfziger. Spartanische Ausstattung hin oder her, die FM2 hat immerhin eine Funktion für Mehrfachbelichtungen und in Verbindung mit dem Selbstauslöser eine Spiegelvorauslösung, wie es sich für eine professionell geeignete Spiegelreflex gehört (hat). Fast alle Zubehörteile der FE- und FM-Serien können auch an der FM2 verwendet werden. Der Motorantrieb MD-12 oder die Datenrückwand MF-16 gehören dazu und wie erwähnt die diversen Mattscheiben der FE2/FA-Serie. Die FM2  fügt sich da praktisch nahtlos in die FE2/FA-Serien ein.

Die Nikon New FM2/T - FAA14132, so die ganz exakte Bezeichnung laut Nikon Corporation, ist eine spezielle Ausführung der Nikon FM2n mit einer Gehäusekappe und Bodenplatte aus Titan. Die Farbe der Titanabdeckungen entspricht einem matten champagnergold an Stelle von Silber oder Schwarz. Die FM2/T ist um ein paar Gramm leichter als das Standardmodell, wurde in geringeren Stückzahlen produziert aber mit einem satten Aufpreis verkauft. Über 20.000 Stück (Seriennummer 9021961 ist dokumentiert) der FM2 mit Titangehäuse wurden produziert und um 13.990 Schilling verkauft. Die normale silberne Nikon FM2n hat zu dieser Zeit immerhin 9.900 Schilling gekostet. Die fast 14.000 Schilling der FM2/T waren echt eine Menge Geld, aber die Kamera hat sich trotzdem gut verkauft und das Modell ist keineswegs eine Seltenheit. Es gibt noch ein paar andere viel seltenere Sondermodelle, die da wären die FM2/T mit einem schwarzen Titangehäuse (ein nicht von Nikon modifiziertes Einzelstück), 300 Stück einer FM2/T Year of the Dog, die FM2/T Year of the Dragon, die FM2/T Limited Edition, die FM2n Millennium 2000, die FM2 LAPITA und die FM2 Tropical-Edition. Erschwinglich sind nur die Standardausführungen und die "normale" FM2/T, alle Sondermodelle sind selten bis extrem selten zu finden, dadurch unerschwinglich teuer und meiner Meinung nach nur etwas für Sammler. So wurde im Juli 2022 für eine der raren Nikon FM2/T Year of the Dog die stolze Summe von 4.300 USD  verlangt. Auch wenn man so viel Geld ausgeben würde, glaube ich nicht, dass man mit so einer Kamera bessere Fotos macht.
Die Geschichte der hier vorgestellten FM2/T ist schnell erzählt. Sie wurde im März 1994 produziert und im Spätsommer oder Herbst desselben Jahres von der Prihoda & Beck GmbH, der ehemaligen Nikon-Werksvertretung für Österreich, an den Media Markt in der Wiener Brünner Straße ausgeliefert. Am 3. November 1994 - wahrscheinlich rechtzeitig vor Weihnachten - wurde sie an den ersten Besitzer verkauft. Bevor ich sie in die Finger gekriegt habe, hat es mindestens einen weiteren Besitzer gegeben, der ebenfalls Wert auf einen einwandfreien Zustand gelegt und die Kamera sehr pfleglich behandelt hat. Der noch immer neuwertige Zustand des Gehäuses lässt auf eine geringe bis sehr geringe Nutzung schließen.

Fazit: Modelle wie die Nikon FM2n oder die FM2/T werden heute fast ausschließlich gekauft, weil man die Kamera unbedingt haben will. Eine praktisch fabrikneue Kamera und ein halbwegs vernünftiger Preis führen dann, das nötige Kleingeld vorausgesetzt, relativ rasch zur Kaufentscheidung. Wenn ich ein paar Seiten weiter vorne geschrieben habe, dass eine FM2 weniger attraktiv als die Modelle der FE-Serien sind, relativiere ich das hier und jetzt. Alle Nikon FM2 sind Kameras mit der Beschränkung auf das Notwendigste. Ein Filmhalter mit Belichtungsmesser und Wechselobjektiven bei dem es keinerlei Automatikfunktionen und andere Unterstützungen für den Fotografen gibt. Die Nikon FM2n und die FM2/T sind auf das Filmformat bezogen die kleinen Schwestern meiner WillTravel 4x5. Pure Fotografie ohne wenn und aber. Dazu kommt bei beiden Geräten eine Verarbeitung, die den Vergleich mit anderen Präzisionsinstrumenten wie Leica M6 oder M7 nicht zu scheuen braucht. Nikon hat da wirklich ganze Arbeit geleistet.
Pro:

- absolut puristische Kamera ohne jeden Firlefanz

- robust und völlig mechanisch

- braucht SR44-Batterien nur für den Belichtungsmesser

- wesentlich moderner als die vom Konzept her ähnliche Nikkormat FT3




Kontra:

- Titan-Oberfläche extrem empfindlich auf Kratzer und Abrieb

- wird leider schon lange nicht mehr hergestellt

- FM2n und FM2/T sind mittlerweile sauteuer geworden

Wer die Kamera unbedingt mit einem Motorantrieb verhunzen möchte, kann dafür den Nikon MD-11 oder MD-12 nehmen. Die entsprechenden Kontakte sind vorhanden. Der Batteriedeckel ist original. Zur FM2/T hat es keine speziell eingefärbte Abdeckung gegeben, da wurde einfach die silberne Standardware verbaut. Der Lieferumfang der Nikon FM2/T war auch sonst spartanisch. Das Kameragehäuse wurde mit einem einfachen weißen Gehäusedeckel, zwei Riemenösen samt Protektoren, einer DL1/3N-Batterie und der Bedienungsanleitung geliefert.