In den 1950er-Jahren war die Welt für die deutsche Kameraindustrie noch in Ordnung. Da wurden Kameras für jeden Anspruch und jeden Geldbeutel gebaut und die damals noch vielen Hersteller haben richtig Stückzahlen und Geld gemacht. Aus dieser, man möchte fast sagen goldenen Ära, stammt die hier vorgestellte Braun Paxina II, die mir in einem Karton gemeinsam mit ein paar anderen Kameras geschenkt wurde. Vom Zustand her gut und nur ein wenig angestaubt hat die Kamera deshalb mein Interesse geweckt, weil das Gerät auch 65 Jahre nach seiner Auslieferung uneingeschränkt wie am ersten Tag funktioniert.
Die Paxina II wurde von den Carl Braun Werken in Nürnberg zwischen 1950 und 1957 produziert und gehört zu den einfacheren und preiswerteren Modellen dieser Epoche. Mit einem Preis von rund öS 500,00 (oder in Deutschland DM 66,00) inklusive Bereitschaftstasche war sie eine erschwingliche Kamera, die man sich leisten konnte auch wenn man nicht zu den Besserverdienenden gezählt hat. Dafür hat man eine durchschnittlich ausgestattete Kamera bekommen, bei der man auf allerlei Firlefanz verzichten musste aber mit einer einfachen, soliden Technik belohnt worden ist.
Die Paxina II ist eine erstaunlich kompakte 6x6-Kamera für 120er-Rollfilm. Das Gehäuse besteht aus schwarz lackiertem Stahlblech. Die vier verschiedenen Versionen erkennt man an den unterschiedlichen Objektiven. Mein Exemplar hat ein Objektiv von Stephan Roeschlein Kreuznach. Das Pointar Kreuznach 3,5/75mm ist ein Dreilinser ähnlich dem Triotar in der Rollei B35 mit einer höchstwahrscheinlich unvergüteten Frontlinse. Der Vario-Verschluss hat immerhin drei praxisgerechte Zeiten 1/25, 1/75 und 1/200 sowie die Einstellung B. Man kann die Blende stufenlos zwischen 3,5 und 22 verstellen. Sonst ist die Technik eher rustikal und ohne jeden Schutz gegen Fehlbedienung. Der Filmtransport wird über ein Fensterchen mit dunkelrot getöntem Plexiglas an der Rückseite der Paxina II kontrolliert. Man dreht so lange, bis im Fensterchen die nächste Bildnummer am Deckpapier des Films auftaucht. Verschluss spannen und Film transportieren sind bei der Paxina II zwei Arbeitsschritte und eine Doppelbelichtungssperre fehlt natürlich auch. Und gegen das Vergessen das Objektiv vor der Aufnahme auszuziehen hilft nur ein Blick in den zu klein bemessenen Fernrohrsucher. Da wird ein Designfehler zur Kameraausstattung, denn verdeckt das Objektiv im unteren Bereich etwa 20% vom Sucherbild passt alles. Ist das Sucherbild ungestört, dann wurde das Objektiv nicht herausgezogen. Bleiben wir noch beim Sucher: Der ist ein supereinfacher Fernrohrsucher, relativ exakt beim Bildausschnitt und natürlich nicht mit der Entfernungseinstellung des Objektives gekuppelt. Entfernungen schätzt man bei der Paxina II deshalb möglichst genau, denn sonst ist die Schärfenebene überall dort, wo man sie eigentlich nicht haben will. Ein Selbstauslöser fehlt - obwohl meine Kamera ein 1/4-Zoll-Stativgewinde besitzt, dafür gibt es wenigstens einen Drahtauslöseranschluss. Ein Blitzgerät kann man über einen serienmäßigen Synchronanschluss verwenden aber ein Mittenkontakt fehlt, weil die Kamera nur einen sogenannten Coldshoe für das Aufstecken eines Blitzgerätes besitzt. Insgesamt ist die Ausstattung für eine einfache Fünfzigerjahre-Kamera aber in Ordnung.